26. August – 02. September 2005
Anreise Elmshorn – Svendborg
Freitag 26.08.2005
Arne war so nett den Busjob zu übernehmen und alle von zu Hause abzuholen. Trotzdem ich es bis jetzt nicht verstanden habe, wie der Bus nach Klein Nordende gekommen ist um Steffi und Stefan einzusammeln und erst danach Arne abgeholt hat, stand er um 16:20 vor meiner Haustür. Das war auch gut so, denn ich bin natürlich nicht pünktlich um 15:00 in der Firma los gekommen und hab Schröder auch erst zehn nach Drei an der Bushaltestelle vorm Hauptbahnhof aufgesammelt, und bis wir uns dann durch den Freitagsverkehr zur Autobahn gewühlt hatten… Jedenfalls hatte ich gerade das T-Shirt an und die letzten Seesäcke zu gemacht, als es auch schon an der Haustür klingelte.
Nachdem wir festgestellt hatten, dass niemand solch elementare Dinge wie Kelle, Messer und Schneidbrett eingepackt hatte, sind wir dann noch mal rauf zu mir, und nach dem Gruppenfoto mit Stefans Kamera auf dem Dach von Nachbars Auto ging es dann um 16:30 los Richtung Svendborg.
Arne hat gleich den ersten Part bis zur Grenze übernommen, und genauso schnell wie wir hier diese Zeile lesen ist das dann auch gegangen und swuppsdiwupps (das wollt ich schon immer mal schreiben) durfte Stefan nur noch 110 fahren und die Windraddichte erhöhte sich deutlich, wenn der Unterschied auch nicht mehr ganz so groß ist wie noch vor einigen Jahren. Flugs noch zwei-, dreimal abgebogen und schon standen wir vor dem grünen Bootshaus am Hafen von Svendborg und riefen Claus Lerche an, der dann auch gleich mit seinem Roller um die Ecke kam um uns in gut 22 Minuten die Boote und die Kleinteile zu zeigen und meine Fragen kurz zu beantworten und dann auch schon wieder zu verschwinden. Vielleicht hatte er noch was vor, in kurzer Hose bei 14 Grad Außentemperatur an einem dänischen Freitagabend gegen 20:30. Nun erstmal durchatmen.
Nun ja, wir haben also die Sachen ausgepackt, unser Abendbrot gegessen, sind zur Sparkasse zum Geldholen gefahren und danach mit Hauke zu McDonalds, denn der hatte Email Nr. 836 nicht mehr gelesen und gedacht wir würden noch was kochen. Dafür war er dann aber tagelang der Einzige der Kleingeld hatte. Schröder hat übrigens auch noch einen Burger gegessen und ich musste mich ziemlich zusammenreißen bei der hübschen trilingualen Dänin nicht auch noch was zu bestellen.
Ich bin mir nicht mehr ganz so sicher ob wir an diesem Abend schon mit Skat spielen angefangen haben, aber auf jeden Fall sind alle zeitig im Bett gewesen und wir waren fast etwas enttäuscht, dass wir die tolle Küche und den Kamin nicht mehr ausprobieren konnten. Also ich jedenfalls.
Svendborg – Rudköbing
Samstag 27.08.2005
Der Wecker klingelte, übrigens zum ersten und letzten Mal, um 08:00. Aufstehen, Luft aus der Matte lassen, einpacken, Körperpflege, Ruderklamotten anziehen, Tagessack packen, Tisch aufdecken, Wasser aufsetzen, Backbrötchen aus dem Ofen fischen, hinsetzen und frühstücken.
So lief eigentlich jeder morgen ab, von den Backbrötchen und dem sonnigen Balkon mal abgesehen, und daher werde ich dies in den nächsten Tagen einfach weglassen damit ihr auch irgendwann mal mit Lesen fertig werdet – und ich mit Schreiben…
Am ersten Tag geht natürlich alles etwas langsamer voran, doch ich kann versprechen, dass die heutigen 3,5 Stunden zwischen Aufwachen und Ablegen sich im Laufe der Tour noch mal halbieren sollten. Schließlich mussten wir die Boote noch auf den Wagen heben, ins Wasser slippen, am Steg festmachen und fendern, unsere Vorräte in die Holzkisten verstauen, Rettungswesten verteilen, Seesäcke, Getränke und Kleinteile verstauen und gegen 11:30 langsam ablegen. Die riesigen Luftkästen schluckten alles problemlos und ein Sixpack Aldi-Wasser verschwand mal so eben lustig in einer Ecke und wurde nicht mehr gesehen – Wow!
Der Wind kam heute mit Stärke 3-4 aus SW und die Mannschaften sollten sich wie folgt verteilen:
„Sixten Sparre“, der 2001 gebaute Kunststoff Zweier vom DFfR mit weißem Rumpf, roter Persenning und Holzausbau, mit Features wie Hartkunststoff-Rollschienen, Kohlefaserriemen und Schiebeluftkastendeckel im Heck durfte heute Wiebke, Steffi und Hauke an Bord begrüßen;
in der „Storebaelt“, dem nur wenige Jahre älteren Zweier gleichen Designs mit besseren C2-Kohlefaserriemen nahmen Svenja, Stefan und Arne Platz;
und „Sparekassen“, der doch etwas ältere, orange-rote Vollkunststoff Zweier vom Svendborg Roklub mit weißem Deck Holzriemen und Drehverschlusskastendeckeln als Sonderausstattung nimmt Susi, Schröder und mich als seine Passagiere auf und in dieser Formation überqueren wir kurz das Fahrwässerchen und fahren zwischen Tasinge und Thurö hindurch. Vorbei an Troense auf die offene See, überqueren wir die Lunkebugt, die uns den ersten Vorgeschmack auf sydfynsche Wellenhöhen bietet und sogleich zu einer kurzen Pause im Windschatten bei Stenodde einlädt.
Umziehen und Trockenlegen der Bugleute nach knapp zwei Stunden im flachen Wasser; anlegen bei kieseligem Ufer ist nicht möglich aber auch nicht unbedingt notwendig. Wassersandalen gehören ja mittlerweile zum Standardrepertoire.
Nach kurzer Mittagspause auf dem Rollsitz geht’s kurz im Windschatten Tasinges Richtung Süden weiter bis auf der Überfahrt nach Langeland, entlang der Straßenbrücke kurz vor Rudköbing, der Wind wieder von Steuerbord bläst. Dem nicht genug hat das betonnte Fahrwasser unter der Brücke hindurch Strömung von Elbgeschwindigkeit, natürlich gegen uns. Die logische Route sollte also am Besten rechtwinklig zum Fahrwasser im Windschutz der Insel Stö verlaufen, die Brücke am östlichen Ufer unterfahrend mit 500 Meter Rest zum Steg des Rudköbing Roklubs. Weshalb die „Sparekassen“ um 15:00 rund 30-45 Minuten vor den anderen ankam und nicht ganz so lange Arme hatte, lasse ich an dieser Stelle im Verborgenen. Wer allerdings der deutschen Sprache mächtig ist, sollte auch auf dem Wasser klar im Vorteil sein. Kartenlesen ist rein statistisch aber ohnehin nicht Frauensache. Der Steg konnte ohnehin nur zwei Boote gleichzeitig abfertigen, und auch hier gab es ein etwas älteres Modell eines Bootswagens mit dem man die Boote mehr oder weniger bequem die Betonrampe heraufziehen kann.
Die freundliche Dame namens Pedersen erklärte uns kurz das kleine Bootshaus und eigentlich konnten wir alles machen was wir wollten wenn wir denn nur am nächsten Morgen gegen 10 Uhr zumindest beim Ablegen sind. Es sollte nämlich Inseltag sein und eine Menge Gäste würden erwartet und daher wäre auch schon jetzt in der Stadt ne Menge los und es würde sich auf jeden Fall lohnen da noch mal vorbeizuschauen. Oder so ähnlich.
Aber erst mal ausgeladen, geduscht, den Volleyball dreimal ins Wasser gebaggert, Spaghetti Carbonara gekocht und den kurzen Regen abgewartet, bevor wir uns auf in die Stadt machen in der gerade noch die letzten Tische und Stühle von den Straßenrändern geholt werden, bevor bis auf den Eisladen die Stadt wie ausgestorben wirkt. Von irgendwelchen Festivitäten keine Spur, vielleicht hatte man zur Feier des Tages einfach nur mal bis 18 Uhr geöffnet, ist natürlich nichts für entertainmentgestörte Großstadtkinder wie uns. Also noch schnell ein Eis für Steffi und Stefan und zurück zum Bootshaus, als uns ein Radfahrer mit Wiebkes linker Socke und anderen trockenen Klamotten entgegen kam. Es war Erling Pedersen, dessen Frau ihm diesen Job aufgedrückt hatte nachdem der Wäschetrockner im Bootshaus doch nicht funktionierte und einige ihre salzig-feuchten Sachen schon richtig sauber gespült hatten. Als Dank dafür gab es einen netten Eintrag im Gästebuch und ne Flasche Sekt.
Auf die Öffnung der Dorfdisse haben wir dann nicht mehr gewartet sondern sind nach einer Runde Skat*)1 lieber in den Schlafsack gegangen. Daher wissen wir auch nicht, ob sich die Zahlenkombination Lördag 24-05 auf die Öffnungszeiten dieser Nacht bezogen oder ob der Laden nur aufmacht, wenn der 24. Mai mal auf einen Samstag fällt…
*)¹ Die Bezeichnung „eine Runde Skat“ ist in diesem und in allen folgenden Zusammenhängen nicht wörtlich zu verstehen, es handelt sich vielmehr um eine nicht festgelegte Einheit unbestimmter Größe und Dauer.
Rudköbing – Aerösköbing
Sonntag 28.08.2005
Trotz der straffen Zeitvorgabe sind wir ganz gemütlich um 08:30 aufgestanden und haben mit Müsli und Brot gefrühstückt und die Sachen gepackt, so dass es zumindest für den Außenstehenden so aussah, als wenn wir gleich ablegen würden. Der ganze Kram war ja auch schnell vor die Tür geräumt und wir waren uns ja noch gar nicht bewusst, welche luxuriös-bequeme Distanz wir an diesem Tag zwischen Clubraum und Bootsteg haben sollten. Da störte auch der schrammelige Bootswagen mit der festgerosteten Rolle nicht wirklich, auch wenn dessen Fahrverhalten eher an einen rostigen Einkaufswagen erinnerte, und das Einfädeln in die Slipanlage dem Versuch einen brennenden Jumbo zu landen recht nahe kam. Letztlich haben wir die Boote dann doch noch mit dem Bug vom Wagen heben und ins Wasser werfen müssen bevor wir um 10:30 fast pünktlich ablegten. Für die nächsten drei Tage sollte dies aber auch der letzte Bootswagen sein.
Unsere Route führte uns bei SW 4 zunächst ein Stück entlang der Küste Langelands nach Süden bevor wir auf Höhe Strynö rechtwinklig zu den Wellen ins tiefe Fahrwasser der Fähren und Segler einfuhren und kurz darauf schon wieder nass wurden.
Die „Sparekassen“ mit Svenja, Susi und Hauke wurde nass, die „Storebaelt“ mit Steffi, Arne und Schröder wurde nass und die „Sixten“ mit Wiebke, Stefan und mir wurde richtig nass. Fand ich zumindest, und wir haben nach 90 Minuten schon wieder die erste Pause zum Austrocknen gemacht. Wieder im Windschutz, diesmal aber an der Nordostecke von Strynö. Von dort hätte man das Ziel eigentlich schon sehen können, bei den etwas diesigen Sichtverhältnissen allerdings nicht ganz. Man hätte ja nur geradeaus fahren müssen, aber wo ist das bitteschön und welcher schwimmende Grasfleck hat nun einen Namen und an welchem müssen wir wo vorbei ohne vom Kurs abzukommen und Aerö irgendwo weitab von Aerösköbing zu treffen, das man im Übrigen auch gar nicht hätte sehen können. Laut Karte schien das ja alles noch ganz easy, aber Distanzen sind bei schlechter Sicht schwer einzuschätzen, speziell wenn man nichts hat an dem man sich orientieren kann und Wasser, Himmel und unbewohntes Inselmeer (und Nachts auch alle Katzen) grau sind.
Aber dafür, und auch deswegen, haben die Chinesen bereits im Jahre 271 n. Chr. mit dem Magneteisenstein ein Gerät zur Peilung des magnetischen Nordpols entdeckten, das über die Araber im 12. Jahrhundert nach Europa kam und vom englischen Wissenschaftler Alexander Neckam erstmals schriftlich erwähnt wurde. Über die sogenannte Deklination bei einfachen Kompassnadeln wie der meinigen berichtete erstmals der österreichische Astronom und naturwissenschaftlicher Revoluzzer des 16. Jahrhunderts Georg von Peuerbach; dass simple Wurstdosen in Proviantkisten dabei um die 20 Grad ausmachen können hätte sich selbst der alte Kopernikus nicht träumen lassen. Und so mussten wir den Kompass ganz links außen auf die Kisten legen um den optimalen Kurs von 248 Grad bestimmen zu können. Am Ende sind wir dann aber doch wieder Schröder hintergefahren.
Südlich vorbei an Voglerholm und Bondeholm, Bredholm an Backbord liegen gelassen, dann Ansteuerung auf Ommelshoved wobei Aerösköbing langsam hinter Dejrö hervorkam und sich bereits sonnte und unser Ziel nun deutlich beschrieb. Immer gut in der Schnittmenge der imaginären 2,5 Kilometerlinien vom Land entfernt, hatte Schröder die „Storebaelt“ sicher auf Kurs gehalten und uns so manche Diskussion erspart, obwohl wir trotz Kursschwankungen wohl auch irgendwie die Peilung gehabt hätten.
Aerosköbing also in Sicht, wurden wir von der wartenden „Sparekassen“ freundlich begrüßt, und nachdem wir den Gruß standesgemäß erwiderten, ging das noch eine gute Viertelstunde so weiter wobei es auf beiden Seiten eher der mit Stimme als der Kreativität zu Ende ging. Aus der „Storebaelt“ wurde das ganze nur mit ungläubigem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen. Ich glaube aber es war eine Mischung aus Neid der Verwunderung oder so.
Aerösköbing also fest im Blick, wurde das Ende allerdings noch mal ein ganz ein Langes, das Sitzfleisch ein immer dünner, die Hände an den verschiedensten Stellen offener. Kurz an der Südspitze von Dejrö das Wasser gefärbt und den Spiegel erhöht, am Hafen vorbei und hinein in die Bucht an der Landzunge an deren Ende sich laut Plan der Campingplatz befinden sollte. Tat er auch, konnte man aber leider überhaupt nicht sehen, und der Strand war auch noch auf der falschen Seite. Macht aber nichts, denn angelegt haben wir trotzdem im flachen Wasser an einem 2 m² großen Sandfleck zur allgemeinen Erkundung der Umgebung. Durchs Ufergestrüpp über einen Trampelpfad durch die Moorlandschaft, entlang eines mit dichtem Gebüsch bewachsenen Zaunes durch Matsch sozusagen durchs Hintertürchen auf den ziemlich ausgestorben wirkenden Campingplatz. Kurz angemeldet und entschieden, dass wir nicht noch runde 5 Kilometer um die Landzunge herumrudern wollen um die Klamotten dann in etwa gleicher Entfernung zum Zeltplatz auszuladen. Zurück also zu den Booten die mittlerweile auch komplett eingetrudelt waren. Ein anderer Erkundungstrupp kam gerade vom Segelhafen zurück und berichtete, dass deutsche Segler gemeint hätten, man könne auch auf der Wiese beim Hafenmeister zelten. Leider hatte ich alles schon geklärt und so wurden die Boote ausgeladen und alles an der Kreuzung Uferweg/Trampelpfad nahe des Hundehaufens gestapelt und von fleißigen Unfreiwilligen zum mittlerweile gefundenen Loch im Zaun getragen, während Svenja, Schröder und ich mit den Booten noch eine runde Gassi durchs Flachwasser gingen um sie ca. 50 Meter weiter auf ein etwas besseres Stück Uferböschung zu hieven.
Die letzten Kisten und Säcke geschnappt, sie durch das Loch auf die Zeltwiese bugsiert und selbst hindurchgestiegen, erreichten auch wir das endgültige geographische Ziel dieser Etappe und die Zelte wurden sogleich aufgebaut. Für Hauke war es der Jungfernaufbau seines neuen Zeltes, das erst zwei Stunden vor Abfahrt am Freitag von einem namentlich hier nicht genannten deutschen Versandhaus geliefert wurde. Mir fällt übrigens gerade auf, dass wir es gar nicht getauft haben…
Egal, der Rest des Abends beschränkte sich auf das Besorgen von Duschmarken, dem Bestellen von Brötchen, dem Auffüllen bzw. Anlegen von Bierreserven, Duschen, Kartoffelpü mit Würstchen und Dosengemüse zubereiten (von Kochen kann man da ja nicht wirklich sprechen, höchstens Wasser auf~), Bier trinken und ne Runde Skat spielen und die sehr sehenswürdige Stadt besichtigen. Das hätte man eventuell ein klitzekleines Bisschen eher starten können, aber so fiel das Ganze dann nicht so lang aus, und ich denke wir haben trotzdem fast alles gesehen. Und so konnten wir noch dem einen oder anderen Dänen ins Fenster schauen und feststellen, dass die meisten alten Fachwerkhäuschen wohl inklusive der ebenso alten Möbel verkauft oder vererbt werden, von den Flachbildfernsehern mal abgesehen.
Der Abend klang dann mit einer Runde Rum mit Peaches und/oder Tee bei sternenklarem Himmel aus, und ich hatte es bis dahin noch immer versäumt zu verstehen, warum denn um bitteschön alle Fahrwassertonnen der Welt (auch die vor Hawaii) ausgerechnet nach Russland ausgerichtet sein sollen, Wiebke?
Aerösköbing – Skarö
Montag 29.08.2005
Luxuriös um 9 Uhr von der Morgensonne geweckt zu werden, wer träumt nicht davon? Schröder und ich hatten zufällig die Sonnenkabine gebucht, und das Aufstehen war keineswegs Luxus sondern eher Mittel zum Zweck um aus dem megaheißen Schlafsack rauszukommen. Bald darauf regte sich auch nebenan etwas und die Kabine mit Hauke und Arne erwachte kurz bevor es bei Roggensack-Schoof zu rascheln anfing.
Ich ging direkt als erster zur Morgentoilette und brachte auf dem Rückweg die Brötchen vom Campingkiosk mit. Milch war leider schon ausverkauft und so verbrauchten wir erst den Rest der H-Milch und beschlossen nach dem Frühstück noch mal zum Netto-Markt am Hafen zu gehen um den Milchvorrat wieder herzustellen. Die Einkaufsliste für Schröder und mich war nicht recht lang, ein bisschen Butter, Gurke, die eine oder andere Saftpackung. Für Hauke brachte ich Apfelcider mit, Schröder füllte seinen Vorrat mit Tuborg auf, ich mit Carlsberg. Aus irgendeinem Grund hatten wir natürlich die Milch vergessen, dafür sollte es für die nächste Zeit wieder eine Menge Chips und Pistazien geben. Als wir zurückkamen waren die Zelte bereits abgebaut und auch der Seesackberg am Ufer nahm langsam Form an. Noch schnell die Zeche bei der Campingplatztante bezahlt und den Rest in den Booten verstaut, ging es gemütlich gegen 12 Uhr los zur Etappe nach Skarö. Das konnten wir uns aber heute auch leisten, denn die rund 20 Kilometer waren mit deutlichem Rückenwind zurückzulegen.
Die Boote verteilten sich heute wie folgt: „Sparekassen“ mit Hauke und den Fock-Sisters, „Storebaelt“ mit mir und den Bewohnern der Roggensack-Schoof Kabine; Susi, Schröder und Arne in der „Sixten“. Dass Hauke bis jetzt jeden Tag, also als einziger, mit zwei, also 50% der anwesenden, Mädels im Boot war, war durchaus zufällig und an diesem Tag so egal wie nur möglich. Klar sind wir ein Stück gerudert, ungefähr 1km hinaus aus der Bucht, dann aber rund zweieinhalb Stunden lang bei praller Augustsonne gesegelt, mit Kurs Nordost westlich vorbei an Egholm, dann nördlich auf Hjortö zu. Dort kurz um die Westspitze und die dortigen Steine herumgefahren und die Aeröfähre abgewartet, dann aber gleich wieder die Löffel hoch und wieder Kurs NNW nach Skarö. Zum Schluss noch mal ca. 20 Minuten in die Riemen gelegt, sogar fast gegen den Wind, vorbei am kleinen Segelhafen in die Bucht im Nordosten der Insel wo das Skaröhuset im letzten Moment um die Ecke guckte. Alles ganz entspannt und ohne irgendwelche Vorkommnisse in rund vier Stunden absolviert, rudern hätte kaum weniger lange gedauert. Und mit der Verpflegungskiste im Bug und einem Seesack als Kissen drauf kann man sich unterwegs sogar fast ne halbe Stunde schlafen legen.
Das Anlegen fand ähnlich wie sonst auch im flachen Wasser statt; die Boote an den schmalen Strand gelegt, das Gepäck hoch am Feldweg aufgestapelt, wurde das ganze Ausmaß des hübschen Ferienhauses offensichtlich. Dass es 1942 mal gebaut wurde wussten wir ja schon, dass es aber auch seitdem scheinbar keinen neuen Außenanstrich bekommen hat, nicht. Ebenso wenig, dass es nach erster Besichtigung den deutlichen Anschein hatte, als wenn seit der frühen Nachkriegszeit hier auch niemand mehr durchgefegt hatte. Die 20 Betten waren zwar durchaus noch intakt, die Matratzen aber als höchst grenzwertig einzustufen. Die blaue Kunststoffplane wurde also heute mal als Schlafunterlage für den Boden zweckentfremdet. Die schöne, und auch vor nicht allzu langer Zeit mal renovierte, Südwestterrasse lud schon jetzt mit Tisch und Bank zum Verweilen ein, während ein Erkundungstrupp den Strand suchte (und auch fand) und der andere herauszufinden wollte, ob man im rund 1000m entfernten Segelhafen duschen konnte. Konnte man, und das war gut so, denn das Klo war von Dixie und lag auf der Seite vor dem Haus, Badezimmer im Haus natürlich Fehlanzeige ebenso wie Warmwasser. Die Kaltwasserleitung musste auch erst mal gefunden und angestellt werden und das anfänglich bräunliche Wasser war nicht etwa mit Eistee zu verwechseln.
Zum Abendessen wurden mal wieder Konserven getrasht, 13 insgesamt, neun davon gefüllt mit Putenmedaillons in Rahmsoße, die restlichen mit Champignonköpfen, I. Wahl. Dazu gab es Reis, zum Glück nicht in Dosen, denn wir hatten uns für das Outdoormodell und gegen den Profidosenöffner entschieden und dementsprechend auch dicke Finger als dann alles im Topf war. Aufgewärmt und mit ein bisschen Nachwürzen hat es jedenfalls ordentlich den Magen gefüllt.
Der Sonnenuntergang mit grasenden Gallowayrindern war ein wenig mit Wolken verdeckt aber trotzdem ansehnlich und stimmte uns zuversichtlich für die kommenden Tage; und läutete die übliche Skatrunde des Abends ein. Gegen 21 Uhr wurde es etwas kühl und dunkel sowieso und so zogen wir an den geselligen Tisch im Wohnzimmer um, verteilten die Teelichter und bestückten die Kandelaber mit übriggebliebenen Kerzenstumpen. Licht gab es natürlich nicht, aber im Zelt wäre es ja auch nicht anders gewesen. Die zweite Flasche Rum dieser Tour wurde noch ein bisschen mit Tee aufgemischt bis es dann gegen Mitternacht zu Bett ging.
Skarö – Faaborg
Dienstag 30.08.2005
Die Nachtruhe sollte nicht lange währen und jäh durch wildes Herumgewühle gestört werden. Erst Hauke: Raschel, raschel, leucht mit Maglite rum, schleich, stolper, knarsch, quietsch, trampel, kurze Pause, und das Ganze wieder zurück. Dann Susi, vielleicht etwas eleganter und ohne Licht, trotzdem war ich wach und bemerkte, dass mich das gleiche Gefühl beschlich das die beiden wohl zum aufstehen bewegt hatte. Die letzte Tasse Tee war offenbar ein durchlaufender Posten und so folgte ich Susi hinaus in die Nacht. Späteren Ohrenzeugenberichten nach soll es 4 Uhr morgens gewesen sein, aber es war unglaublich erleichternd. Wiebke begegnete uns auf dem Rückweg in den noch warmen Schlafsack und behauptete, die Sterne wären wunderschön gewesen, leider hatte ich meine Brille irgendwo in der Dunkelheit zurückgelassen. Noch runde fünf Stunden sollten wir schlummern bis ich um 9 Uhr erneut aufwachte und die ersten hässlichen Fotos von unaufgeräumten Tischen und schlafenden Leuten im Morgenlicht machte.
Zeitsprung: Zweieinhalb Stunden später lagen die Seesäcke wieder fein sortiert neben den Kisten im Gras am Ufer wo der Feldweg endete und in den Strand überging. Man hatte sie dorthin getragen. Wir hatten sie dorthin getragen. Davor hatten wir sie gepackt und auf dem Tisch auf der Terrasse gestapelt, und davor wurde auf demselben Tisch natürlich gefrühstückt. Ebenfalls von uns. Von wem auch sonst?!
Wie ihr merkt ist es gar nicht so einfach einen ganzen Wanderfahrtsbericht zu schreiben, und ich hoffe diese Zeilen werden mindestens als guten Versuch gewertet, an dieser Stelle mal ein wenig stilistische Abwechslung hinein zu bringen. Aufstehen, frühstücken, einpacken, losfahren, ist ja im Grunde jeden Morgen irgendwie das Gleiche.
Wir verlassen also mit einem lachenden und einem weinenden Auge das kleine hellblaue Häuschen auf Skarö, denn obwohl es etwas an Sauberkeit und Ordnung mangelte, so hatte es doch seinen ganz eigenen Charme den vielleicht nur diejenigen nachvollziehen können, die den „Hof“ noch in seiner ursprünglichen Form kennen oder eine der letzten Bootshauspartys mit Couchmöbeln miterleben durften.
Es wurde also bei westlichen Winden der Stärke 2-3 um kurz vor 12 abgelegt, und wir waren froh, dass es nach der entspannten Etappe gestern nur eine langsame Steigerung gab. Und wenn ich wir sage, dann meine ich Svenja, Stefan und Schröder in der „Sparekassen“, Wiebke, Steffi und Arne in der „Storebaelt“ und Susi, Hauke und ich in der „Sixten“. Da Hauke und Svenja beide zuletzt in der „Sparekassen“ unterwegs waren, war Svenja so nett und gab Hauke am letzten Tag seiner Reise das schönere Boot und sollte dafür für den Rest der Tour besonders bedacht werden. Gute zwei Stunden ging es dann also erst mal durchs tiefere Wasser am Ufer von Fyn entlang, das wir zum ersten Mal seit Verlassen von Svendborg wieder aus der Nähe sahen. Bei der engen und flachen Durchfahrt bei Lille Svelmö, sozusagen gegenüber von Avernakö, wurde dann nach etwa der Hälfte der Strecke eine notwendige Mittagspause eingelegt. Die Boote wieder am Bug mit Tampen und Bootshaken und am Heck mit Anker festgemacht, fanden wir ein schmales Stück Gras zwischen Kieselstrand und Weidenzaun, das sich ganz hervorragend für ein kleines Nickerchen in der Sonne oder einer Runde Skat eignete, wenn man sich denn vorsichtig genug zurücklehnte. Es war bis dato auch mein erstes Spiel bei dem man die Stiche unter dem Stromdraht rausfischen musste.
Nach zwei weiteren Stunden des heiteren Ruderns gen Nordwesten, verschwand der Wind dann fast komplett hinter Björnö, das sich an der Backbordseite langsam an uns vorbeischob. Faaborg kam in Sicht, und gegen 16:30 machte das erste Boot am Steg fest, dicht gefolgt von den anderen. Im Gegensatz zu meinen eher düsteren Erinnerungen an einen regnerisch-grauen und uncharmanten Fährhafen, hatte man nicht nur das Clubhaus sondern die gesamte Hafenrandstraße modernisiert und mit futuristisch anmutenden Appartements optisch aufgewertet. Die Steinkante, über die wir damals die Boote hieven mussten, war auch verschwunden und wir konnten die Boote mit Hilfe eines freien Bootswagens ganz easy aus dem Wasser holen und neben das Bootshaus in den neu angelegten Park legen. Die Faaborger hatten mir im Vorwege zugesagt, dass wir im Bootshaus übernachten konnten. Ich hatte in weiser Voraussicht noch keinen festen Termin ausgemacht, es aber auch so verstanden, dass wir uns nicht extra noch mal melden brauchten.
Es war also dummerweise gerade heute ein großes Fischessen mit rund 30 Mitgliedern im Clubraum und auf der Dachterrasse geplant, und so roch es auch, und daher haben wir das Abendessen spontan nach draußen in den benachbarten Park verlegt. Da es ohnehin Pfannkuchen geben sollte, konnte sich auch keiner so recht vorstellen, wie die denn bitteschön im Stehen am Herd zubereitet werden sollen. Das hat es ja wohl noch nie gegeben.
Nach dem kurzen Einkauf beim Netto um die Ecke (und die Straße weiter um die nächste Ecke dann ganz bis zum Ende runter und da noch mal um die Ecke) nahmen Wiebke und ich auf der Holzkiste vor den Kochern Platz und brieten im Akkord bis selbst Arne die Segel strich und bekannt gab, dass er nun satt sei. Die Mädels hatten noch schnell einen Salat als Vorspeise gezaubert und so brauchten wir auch nicht wirklich viel Nachtisch.
Kurz nachdem die Sonne kunstvoll und idyllisch als orangener Feuerball über dem Hafen untergegangen war und alles in ein irre romantisches Licht tauchte, tauchte Malte auf. Im Gepäck Wurst, Kölln-Müsli und Schokolade für den Rest der Tour hatte nicht nur Svenja ihn gleich ins Herz geschlossen. Am kommenden Tag sollte er nämlich für Hauke ins Boot steigen, der uns leider Richtung China verlassen musste. Die Dänen erbarmten sich nach mehrmaligem Nachfragen gegen 22 Uhr, baten uns nach oben in den Clubraum und servierten als Wiedergutmachung gleich ein ganzes Blech übriggebliebenen Schoko-Kokos-Kuchen der uns auch die nächsten Tage noch begleiten sollte. Sehr lecker aber zu jeder Tageszeit durchaus schwer verdaulich.
Vor dem Zubettgehen mussten wir dann noch einigen leicht angeheiterten Däninnen erklären, dass der Malte morgen den Hauke ablösen wird, denn sie waren mit der Anzahl von zehn Ruderern für drei Boote auch nach mehrmaligem Nachzählen nicht einverstanden und baten dringendst um Aufklärung. Sehr gewissenhafte Menschen hier, da zählt die Ruderordnung noch was. Nach einer finalen Skat-Runde endete dann auch dieser Abend im Schlafsack, diesmal ganz unbedenklich auf verhältnismäßig bequemem Fußboden. Und zum einzigen Mal zu zehnt.
Faaborg – Drejö
Mittwoch 31.08.2005
Die von Malte mitgebrachte Windvorhersage bereitete uns leichte Kopfschmerzen. Pünktlich zum Erreichen des westlichsten Punktes unserer Tour drehte der Wind auf Ost, und das nicht zu knapp. Bei unveränderten Wetterverhältnissen, also Sonne pur, hatte es mächtig aufgebriest und der Wind sollte mit guten 4 Beaufort aus Südost wohl genau gegen unsere Fahrtrichtung blasen.
Doch erst einmal zum Frühstück: Dank der Vorspeise am Vorabend blieben genügend Eier übrig um heute ein wahres 5-Sterne-Buffet aufzufahren. Rührei, gekochte Eier, Backbrötchen, Müsli, Milch und dänischen Schoko-Kokos-Kuchen auf der Dachterrasse in der sydfynschen Morgensonne. Die Brotdosen sollten im weiteren Tagesverlauf also einen dementsprechend kreativen Gesamteindruck machen.
Die Dänen waren schon früh auf dem Wasser, sicherlich nichts Verwunderliches wie wir in der Zwischenzeit festgestellt hatten, und so konnten wir einen freien Bootswagen ergattern um die Boote wieder bequem zu Wasser zu lassen. Während der gesamten Tour sollten wir die Boote niemals mehr als fünf Meter weit tragen müssen – bequem eben. Abgelegt wurde nach dem Beladen der Boote am Steg, übrigens zum ersten (und letzten) Mal wieder seit drei Tagen, gegen 11:30 Uhr. Wir hatten uns also langsam eingependelt, zweieinhalb Stunden schienen der gemütliche Durchschnitt fürs morgendliche Rumgerödel zu sein.
Die „Sparekassen“ heute also mal nicht mit Svenja, dafür mit Steffi, Arne und mir, die „Storebaelt“ mit Wiebke, Stefan und Schröder und die „Sixten“ sollte Svenja, Susi und Malte aufnehmen. Hauke stand doch recht traurig am Ufer herum und wir brachten es fast nicht übers Herz, ihn dort so einfach zurückzulassen. Aber das Studium geht vor und wann kommt man schon mal wieder ins Reich der Mitte? In Anbetracht der Windvorhersage und mit Blick auf die Seekarte überlies ich geschickt Arne die Platzwahl und er entschied sich ganz uneigennützig für den Bug. Na dann Herzlichen Glückwunsch.
Björnö sollte uns aus der Nähe betrachtet nicht nur als charmante Allround-Insel mit Wiesen, Bäumen und Hügeln beeindrucken, sondern vor allem auch ein wenig Windschutz bieten. Pustekuchen. Bei genauer Betrachtung der Fahrtroute fiel auf, dass die Insel Drejö ganz genau in südöstlicher Richtung lag und das Thema Windschutz also bis auf weiteres vertagt wurde. So schien der erste wirklich einigermaßen ruhige Mittagsrastplatz die Bucht im Südosten von Avernakö zu sein, gleich um die Ecke der halbgeheimen Sommerresidenz des dänischen Großindustriellen Möller dem nicht nur die weltgrößte Reederei sondern auch Werften, Fluggesellschaften und Supermarktketten gehören. Der ideale Anlegelatz also. Bis dahin sollten die Naturgewalten aber noch einiges von uns abverlangen. Arne und die anderen Bugleute bekamen wieder mal so einige Brecher über den Rücken und auch die Steuerleute hatten es nicht leicht den Kurs zu halten. Wenn das Steuer aus dem Wasser ragt und gleichzeitig der Bug vom Wellenberg aus dem Kurs gedrückt wird, kann man halt nur hoffen, dass der stärkere Ruderer gegen die Windrichtung zieht und das Boot wieder auf Kurs bringt. Sonst liegt man ganz schnell parallel und muss auch noch überziehen. Das kostet Kraft und Zeit.
Nach zweieinhalb Stunden waren etwas über die Hälfte der Strecke absolviert und wir zählten die letzten hundert Schläge bis zum Ufer Avernakös. Die günstigen Braca-Riemen ließen ihren Preisvorteil mittlerweile offenbaren und hinterließen bei der Besatzung der „Storebaelt“ erneut deutliche Spuren der Verwüstung auf den Handflächen. Die Holzgriffe scheinen von nicht annährend so hochwertigem Material gefertigt zu sein wie es bei der Konkurrenz von C2 der Fall ist, und Arne und ich waren der Meinung, dass unsere Hände erst mal eine Pause verdienten. So wurde im windstillen Flachwasser auch gerne mal nur einhändig durchgezogen.
Die Temperaturen waren an diesem Tag deutlich auf dem Weg jenseits der 25 und im Windschatten am Rande des Feldweges auf Avernakö war es, zumindest für den letzten Tag im August, brütend heiß. Als Folge der Anstrengung fielen alle für mindestens eine halbe Stunde in kollektiven und festen Nachmittagsschlaf und die Pause sollte sich auf Rekordverdächtige eineinhalb Stunden ausdehnen. Ausruhen, Brot und Kuchen essen, schlafen und Skat spielen brauchen eben seine Zeit. Gegen halb vier machten wir uns mehr oder weniger freiwillig auf zum letzten Drittel der Etappe. Der Wind hatte mittlerweile etwas nachgelassen und es ging ein wenig ruhiger Richtung Fläskholm, einem kleinen Inselchen auf dem ganz genau ein Baum stand. Armes Schwein der Baum.
Jetzt wurden mehrere kleine Pausen gemacht, und je näher wir Drejö kamen desto langsamer schien das Tempo zu werden. Wir waren einfach ein bisschen auf und wollten am liebsten auch keinen Meter mehr weiter, als wir die Einfahrt des alten Segelhafens passierten wo die anderen beiden Boote gerade an der Kaimauer festgemacht hatten um das Areal zu erkunden. Den Tipp hier Station zu machen hatten wir von einem netten Faaborger Ruderer bekommen da wir 24 Stunden zuvor eigentlich noch gar nicht so genau wussten, wo wir denn eigentlich hin wollten. Die Campingplätze auf Fyn in Richtung Svendborg hatten alle schon geschlossen, da die Hauptsaison hier schon Mitte August zu Ende geht und ob wir noch mal nach Skarö wollten, nun ja darüber hatten wir uns noch keine rechten Gedanken gemacht.
Drejö hat also einen alten Segelhafen mit ziemlich neuem Sanitärgebäube und einigen Sitzgelegenheiten auf einer Wiese, die sich wunderbar zum Zelten eignete. Obwohl dies offiziell verboten war, haben wir vom Hafenmeister in gebrochenem Englisch die Erlaubnis erhalten für sagenhafte 25 Kronen pro Boot dort übernachten zu dürfen. Umschlag mit Geld wie üblich in den Briefkasten. So billig waren wir noch nie untergekommen und die Duschen waren sogar noch gebührenfrei zu benutzen, und sauberer als so manche deutsche Campingplatzeinrichtung. Nur das Wasser schmeckte sehr – sagen wir mal mineralisch. Die Boote wurden einfach an der Kaimauer vertäut und sollten die Nacht dort auch sicher überstehen.
Bis die Zelte aufgebaut und alle mit Duschen durch waren, wurde es langsam dunkel und die Sonne versank unaufhaltsam hinter Avernakö. Die letzten Nudeln wurden mit den ebenfalls letzten Tüten Tomatensoße kombiniert und ergaben ein mehr als nur angemessenes Abendmahl für uns hungrige Mäuler. Ein Geräteschuppen fungierte mit seinen in die Veranda integrierten Sitzgruppen als idealer und windgeschützter Platz zum Kochen, Essen und Skat spielen. Da der Ostwind aber auch kühlere Abendtemperaturen mit sich brachte, wurde die Runde heute mal früher als gewöhnlich aufgelöst und man verkroch sich schnell in die Zelte, bevor das große Frieren begonnen hätte. Ich glaube das hätten wir auch wirklich nicht verdient gehabt.
Drejö – Svendborg
Donnerstag 01.09.2005
Für den heutigen Tag habe ich leider keine Aufstehzeit dokumentiert, obwohl das mit der eingebauten Uhr bei den Digitalkameras ja auch im Nachhinein neuerdings so einfach ist. Das erste Bild des Tages entstand um 11:26 kurz nach dem Ablegen, daher schätze ich die Aufstehzeit mal wieder so auf 9 Uhr. Gefrühstückt wurde, und das ist sicher, wieder an den Sitzgruppen vor diesem Werkstattschuppen mit der Informationstafel des Hafenmeisters, wo wir auch das Geld für die Nacht einwarfen. Haukes Zelt musste sich nach langem Kampf letztlich unseren vereinten Kräften ergeben und verschwand wortlos in Svenjas Seesack, um dann mitsamt einigen anderen Sachen in einem unbekannten Luftkasten verstaut zu werden.
Es sollte ein ziemlich schaukeliger Tag werden für das Zelt, obwohl es auf seiner ersten Wanderfahrt ja schon ein bisschen was erlebt hatte. Aber so bekam es wenigstens einen ordentlichen Vorgeschmack auf die Zukunft seines noch jungen Lebens. In ein paar Jahren des ausgenutzt Werdens wird es irgendwann einfach auf dem Müll landen und schnell in Vergessenheit geraten. Aber davon weiß es ja zum Glück nichts, denn sonst wäre es an diesem sonnigen aber windigen Morgen auf Drejö sicher nicht so einfach in den Sack geglitten.
Aber zurück zum Tagesgeschehen: Der Wind war heute ganz klar das Hauptproblem. Er blies unverändert aus Südost, hatte aber in der Stärke noch mal zugenommen, und es war hart an der Grenze zur 5 was uns da entgegen schlug als wir um die Nordspitze der Insel herumfuhren. Ich durfte heute zu Beginn der Etappe die „Sixten“ steuern denn uns war nicht ganz klar, aus welcher Richtung die Strömung später im Svendborgsund kommen würde. Svenja und Steffi ruderten also den ersten Teil bis in den Windschutz von Tasinge am Anfang des Sundes, dann sollte getauscht werden. So etwas sollte man bei diesen Bedingungen besser vorher entscheiden, denn bei meterhohen Wellen zu wechseln ist schon nicht leicht und im Inrigger fast unmöglich. Die „Sparekassen“ war auf dieser finalen Etappe mit Wiebke, Arne und Malte unterwegs, die „Storebaelt“ demnach mit Susi, Stefan und Schröder.
Nach kurzem Studieren der Karte blieben genau zwei Kursmöglichkeiten übrig: Der direkte Weg Richtung ONO südlich an Skarö vorbei zur Ostspitze von Tasinge wurde von „Storebaelt“ und „Sixten“ eingeschlagen, die „Sparekassen“ schlug den längeren Weg über die Nordseite von Hjörto ein, der letztlich den Vorteil hatte, das letzte Stück fast segeln zu können während man zunächst aber voll gegen den Wind fahren musste. Unser Kurs war wie gesagt kürzer aber am Ende nicht unbedingt schneller, denn den Wind ständig aus dem Nordostquadranten zu haben war anstrengender als gedacht. Wir verloren die „Sparekassen“ also schnell nach Steuerbord aus den Augen und bei zwischenzeitlich bis 7 Meter Wassertiefe wurden die Wellen immer höher, und die Arme der Mädels auch langsam länger. Skarö ist an seiner Südseite gute zwei Kilometer breit und dicht am Ufer merkte man deutlich, wie langsam es eigentlich wirklich voran ging. Svenja und Steffi haben sich aber tapfer geschlagen und keinen Zweifel aufkommen lassen, dass sie bis zur designierten Mittagsrast durchrudern wollen.
Die „Storebaelt“ fiel bei Skarö leicht hinter uns zurück und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass wir heute echte Probleme bekommen werden Svendborg zu erreichen, denn der Windschutz am Ufer von Tasinge, den ich meiner Mannschaft bereits vor einer guten halben Stunde versprochen hatte, kam einfach nicht näher, obwohl er theoretisch existierte. Der Wind blies unaufhaltsam mit bis zu 30 km/h aus 45 Grad von Steuerbord, quasi im Süden um Tasinge herum, und es war als Steuermann schwierig den Kurs zu halten. Der Ostwind hatte bei dieser Stärke zusätzlich den Effekt, das Wasser zusammen mit dem leichten Tidenstrom*)1 aus dem Svendborgsund herauszudrücken und damit befanden wir uns also genau im Kreuz zwischen Wind und Wellen vom Steuerbordbug und Strömung vom Backbordbug, was den faktisch erzeugten Vortrieb fast vollständig zunichte machte. Die Mädels haben wirklich alles gegeben und ich habe es gewagt davon ein kleines Video zu drehen als die Wellen nicht ganz so hoch waren und die Gischt mich nicht ins Gesicht traf.
Die große, orangefarbene Unterfeuerbake von Vornäs stets im Blick, mussten wir eigentlich nur noch über das schmale Fahrwasser vor Tasinge herüber um endlich in flachere Dünung zu kommen und mal durchpusten zu können. Die Fähre, die wie aus dem Nichts auftauchte und dann mehr oder weniger um uns herumfuhr, brachte noch mal kurze Aufregung ins Boot, aber wir hätten auch wirklich nichts anderes machen können als da zu bleiben wo wir waren und darauf zu vertrauen, dass sie nach Skarö abdrehte und nicht in den Svendborgsund wollte.
Die „Sparekassen“, um die wir uns zwischenzeitlich sogar mal ein wenig Sorgen gemacht hatten, kreuzte uns ebenso plötzlich wie unverhofft segelnderweise von Steuerbord und legte trotz des gut zwei Kilometer längeren Weges noch vor uns an. Zweieinhalb Stunden hatten wir für gute 7 Kilometer gebraucht bis wir endlich auf der Ostspitze Tasinges ankamen und im Windschatten die Boote im flachen Uferwasser verankerten. Die „Storebaelt“ kam knapp zehn Minuten nach uns an und sah nicht minder angestrengt aus. Respekt an alle für dieses harte Stück Arbeit, besonders aber an Wiebke, Arne und Malte die sich den längeren Weg getrennt von uns zugetraut hatten und dafür am Ende mit Segeln belohnt wurden. Solche Bedingungen die ganze Tour über und wir hätten ziemlich alt ausgesehen, Ostseerudern ist eben wirklich kein Elbrudern, wenn die Wellen auch manchmal ähnlich aussehen. Das hier war ein ganz neues Kapitel des Wanderruderns.
Doch es sollte ja noch nicht ganz vorbei sein, es blieben immerhin noch runde zehn Kilometer den Sund rauf bis Svendborg, und die Strömung war ja bis jetzt eher gegen uns. Nach über einer Stunde Pause auf dem Kieselstrand aber schien sich der Tidenstrom*)1 umzukehren und wir konnte relativ gemütlich auf die Autobrücke zurudern, die etwa zwei Kilometer vor dem Ziel das Wasser in 30 Meter Höhe kreuzte. Bis dahin passierte auch nichts Aufregendes mehr und wir legten kurz nach 17 Uhr wieder am Steg des Svendborg Roklubs an, knapp 6,5 Tage und runde 135 Kilometer hinter uns.
Die Boote wurden geleert, nacheinander herausgenommen und mit Süßwasser aus der Gardena-Spritzpistole gesäubert. Ein Riesenspaß für jeden der als Kind mal Feuerwehrmann werden wollte. Jeweils drei Leckschrauben pro Boot machten das Herausspülen von Sand und Dreck leicht und die Salzkrusten auf den Decks ließen sich auch mühelos entfernen. Rettungswesten, Tampen, Fender und Anker wurden ebenso von der klebrigen Salzlake befreit wie Wiebke, die sich als lebendige Schaufensterpuppe die Ponchos zum Abduschen überzog. Unser Gastgeber Claus Lerche (der etwas introvertierte Vogel) war inzwischen auch mit seinem Boot vom Rudern zurück und bis zum Rande der Emotionslosigkeit begeistert von unserer Sorgfältigkeit, dass wir nicht einmal den Langtursrapport ausfüllen mussten. Er verschwand zum wiederholten Male mit kurzem Händedruck und ohne viele Worte, so dass wir ihm die mitgebrachte Flasche „Lütten Klostersander“ Aquavit als Gastgeschenk sozusagen hinterherschmeißen mussten.
Wir beschlossen zum Abschluss der Tour den noch übrig gebliebenen Milchreis zu begnadigen und entsandten das fertig gesäuberte Frühduscherteam zum Einkaufen. Pizzateig, Tomatensoße, Schinken, Salami, Champignons, Ananas, Thunfisch, Paprika, Mais, Tomaten und Käse sollten vom Spätduscherteam so geschickt auf drei Bleche verteilt werden, dass wir alle gut satt wurden und mit gefüllten Mägen zu einer letzten Runde Skat starten, bevor nach dem Vernichten der letzten Bierreserven auch dieser Abend zu Ende ging und die letzte Nacht in Dänemark anbrach.
*)¹ Tidenströmung existiert übrigens auch auf der Ostsee, allerdings ist diese so gering, dass sie im Allgemeinen vernachlässigt werden kann. In tieferen, langen und schmalen Gewässern wie zum Beispiel dem Svendborgsund kann diese aber bei starken Winden durchaus größeren Einfluss auf die Routenplanung haben. Darauf wird sogar in Profi-Segelkarten hingewiesen.
Svendborg Sightseeing und Rückfahrt
Freitag, 02.09.2005
Eigentlich gab es für diesen letzten Tag ganz verschiedene Pläne. Zum einen hätte man gestern einfach an Svendborg vorbei fahren, auf Thurö noch mal campen und erst heute im Laufe des Tages nach Svendborg zurückkommen können. Aber wer hätte das denn gestern bitte noch gewollt? Oder man hätte den Rückweg von Faaborg einfach anders gestaltet und wäre eh erst heute angekommen. Oder, und das war der eigentlich übrig gebliebene Plan, man spart sich die Nacht von Freitag auf Samstag ganz und fährt nur heute noch mal am Vormittag um Thurö herum und macht dabei vielleicht in Troense Halt, um sich das kleine Schifffahrtsmuseum anzuschauen.
Der Plan war gut, doch es sollte angeblich schon am frühen morgen heftig gewittert und geregnet haben, auch wenn ich jetzt davon gar nichts mitbekommen hatte. Ebenso wenig übrigens von irgendwelchen Dänen, die nebenan im Trainingsraum Ergo gefahren waren.
Kurzerhand wurde das Programm also leicht modifiziert und zwar im Wesentlichen um den Teil der Fortbewegung. Der ERC Bus sollte uns nach dem Frühstück mit leckeren, aber dann viel zu vielen, Backbrötchen erst nach Troense bringen und danach noch mal in der Svendborger City stoppen. Davor musste aber noch alles eingepackt und sauber gemacht werden, und natürlich mussten die restlichen Brötchen an die Dänen verschenkt werden, die an diesem Morgen hungrig vom Rudern zurückkamen.
Um 11:30 Uhr war dann Abfahrt, und nach kurzer Suche überquerten wir die Brücke über den Svendborgsund nach Tasinge, um uns in Troense das kleine Schifffahrtsmuseum anzusehen, das einige recht interessante Ausstellungsstücke zur Historie des regionalen Segelbootsbaus, der Handelsmetropole Svendborg und dem Leben des Seefahrers und seiner Familie zu bieten hatte. Der Museumswärter war zu Beginn der Nebensaison gnädig und gab uns einen Studentengruppensonderrabatt und für 100 Kronen durften wir alle rein, und am Ende auch noch das (einzige) Klo benutzen. Zum Dank kauften wir eine Packung von den schönen Servietten mit der Karte der Dänischen Südsee, die uns alle an diese Tour erinnern soll, jedenfalls so lange bis der erste irgendwann eine kleckernde Kaffeekanne drauf stellt.
Die Innenstadt von Svendborg bot unserem Bus eine günstige Parkmöglichkeit und so machten wir noch einen einstündigen Rundgang durch die Fußgängerzone, vorbei an allen möglichen Geschäften in netten Häusern und dem Supermarkt, in dem wir vor zehn Jahren schon eingekauft hatten. Zum Abschied gab es für jeden einen Hot Dog mit roter Pölserwurst aus der Fahrtenkasse, lustige Mampffotos waren im Preis von knapp fünf Mark pro Stück inbegriffen. Dem aufmerksamen Leser darf an dieser Stelle übrigens aufgefallen sein, dass dies der erste (und auch letzte) Pölser auf dieser Tour war. Zum einen hatten wir fast für jeden Tag Essen auf Vorrat gekauft und zum anderen hatten die Läden meist schon zu, wenn wir in Rudköbing, Aerosköbing oder Faaborg noch mal in die Stadt gingen. Rein ernährungspolitisch ist so ein Fleischpürree im Kunstdarm mit Weißmehlteigling und fett- bzw. zuckerhaltiger Soße ja auch als sehr bedenklich einzustufen. Ob Gurkenscheiben und geröstete Zwiebeln in irgendeiner Form ausgewogene Nährwerte erhalten, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Und nebenbei bemerkt füllt es auch nicht wirklich den Magen.
Wir bemerken also abschließend, dass sich der Däne im europäischen Vergleich schon lange nicht mehr anhand der bloßen Anzahl der Windräder oder dem gemeinen Pölser beurteilen lassen kann, sondern vielmehr daran, wie viel Gastfreundschaft und schöne Urlaubsreviere er zumindest dem deutschen Wassersportler zu bieten hat. Wir sind jedenfalls, und das nicht nur des perfekten Wetters wegen, voll auf unsere Kosten gekommen und haben uns ganz wunderbar entspannt. Kilometerfressen kann nun mal nicht alles sein, im fortgeschrittenen Alter gewinnt dies besonders an Bedeutung. Eine Schande, dass ich so etwas schon schreiben muss.
Die Rückfahrt, nicht zu vergessen, begann kurz nach 14:30 Uhr und verlief ohne besondere Vorkommnisse. Die meisten waren ohnehin spätestens nach Verlassen der Stadtgrenze Svendborgs in süßen Schlummerschlaf gefallen und hatten bis zum Erreichen der imaginären Grenze nicht viel mitbekommen, außer vielleicht, dass der Bus zum Fahrerwechsel auf dem Rastplatz stoppte. Nach der kurzen Pause übernahm Svenja das Steuer und der Bus hielt erst wieder als wir Schröder auf dem Rastplatz an der Kanalbrücke aussetzten, oder besser an seinen Vater übergaben, der ihn mit nach Kiel nahm. Der Rest spielte weiter Skat oder schlief oder versuchte im Radio einen Sender zu finden, bis wir ziemlich genau um 18 Uhr auf dem Parkplatz vor meinem Haus ankamen und diesen mit Seesäcken und anderem Kleinkram übersäten, bis alles wieder an die rechtmäßigen Besitzer verteilt war und die Tour damit leider wie fast immer viel zu früh zu Ende ging.