Samstag, 24. Juli 2004
Elmshorn – Mellerud
Wir schreiben das Jahr 2004 und ganz Deutschland macht Sommerferien im Süden, wo es den Sommer vermutet. Ganz Deutschland? Nein!
Denn in einem kleinen Club in einem kleinen Städtchen irgendwo in Schleswig-Holstein hält sich seit etwa sechs Jahren das Gerücht, dass der Sommer doch wohl in Schweden zu finden sei. Anno 1998, so sagt man, hätten sich einige der ganz Hartgesottenen aufgemacht ein Abenteuer auf dem Dalslandkanal zu erleben. Sie seien mit einer Menge Geschichten von Blaubeeren, Mücken, Rudern in „ödylllischer“ Landschaft, Sonne, Elchen, Hechten und dreckiger Wäsche im Seesack zurückgekommen.
Da es sich bei dem kleinen Städtchen um Elmshorn und bei dem Verein um den dortigen Ruderclub handelt, dürfte dem aufmerksamen Leser nun auch klar sein, wieso nicht ganz Deutschland sich in den Süden aufmachte. Denn für so einen Ruderer gibt es ja nichts Größeres als das, wovon dieses Gerücht erzählt.
So begab es sich also an einem Samstagmorgen Ende Juli gegen vier (!!!) Uhr, dass 17 leicht verschlafene Gestalten teils im Hintelmann mit Bootsanhänger und teils im ERC-Bus dem Horizont (und der Dänischen Grenze) entgegenfuhren um das Abenteuer (und den Sommer) zu suchen.
Unterbrochen von einigen Fahrerwechsel- und Schminkpausen, Stopps zum Einsammeln vereinzelter Ruderer von Autobahnrastplätzen oder zur Nahrungsaufnahme beim Marktführer der Systemgastronomie fuhren sie über die Große-Belt- und die Öresund-Brücke geradewegs nach Mellerud, wo sie bereits die Sonne erwartete.
Dort angelangt ging der Tag wenig spektakulär mit Zelte aufbauen, Boote abladen und aufriggern weiter. Nach getaner Arbeit stürzten die meisten sich aber sogleich todesmutig in die klaren Fluten des Vänersees.
Nach dem Abendessen fanden dann zu mehr oder weniger später Stunde alle Ruderer in ihre Schlafsäcke, kuschelten sich fest ein, schlossen die Äuglein und harrten der Abenteuer, die da kommen sollten.
Stefanie Schoof
Sonntag, 25. Juli 2004
Mellerud – Haverud
An diesen Tag sollte unser Abenteuer nun endlich richtig beginnen.
Nach dem Aufstehen stand uns die erste Herausforderung bevor: Wir mussten all unser Gepäck in den Booten verstauen… aber wie? Doch wie meistens: Das am Anfang unmöglich erscheinende Vorhaben klappte auch dieses Mal.
Nach dem Ablegen stand die erste Etappe über den Vänersee an. Hier ging es am Ufer entlang. Vorbei an „gefährlichen Felsen“, dafür aber ohne Orientierungspunkte kamen wir dann doch an der Einfahrt des Dalslandkanals an.
Auf der weiteren Fahrt wurde jedes Haus mit einem aus einer Astrid-Lindgren-Geschichte verglichen und überlegt wie den noch mal alle Kinder von Bullerbü hießen oder was Michel alles angestellt hatte. Als wir dann überlegten wie die Schwester von Lotta hieß, kamen wir zu einer Schleuse die bereits Feierabend hatte (es war Sonntag).
Zum Glück war in der Karte auch ein Rastplatz vor der Schleuse eingezeichnet. Als wir diesen gefunden, stellte sich heraus, dass dieser Platz ein halber Campingplatz war. So genossen wir am Abend den nun um einen Tag verlängerten Aufenthalt in der Zivilisation.
Auf diesem Platz war auch eine Rudergruppe aus Osnabrück, die die Tour in der anderen Richtung gerade hinter sich hatte.
Nach dem die Zelte aufgebaut waren, stolperte Carolin wegen eines Erdlochs. Zum Glück konnten wir uns den Bus der Osnabrücker leihen und so starte ein Teil eine Fahrt ins nächste Krankenhaus, um eine Diagnose (vage) und Krücke (erst waren es noch zwei…) zu besorgen.
Der Rest kochte und versuchte dabei, den Inhalt seiner Kochkisten möglichst weiträumig über den Platz zu verteilen. Heraus kamen dabei Tütennudeln (mit etwas zu viel Wasser, na, die letzte Packung ist dann ja noch aufgetaucht…) und zum Teil auch sehr genießbare Sachen.
Schließlich krochen alle in ihre Zelte, um sich auszuschlafen für die Abenteuer in der Wildnis mit Elchen und Lotta, ihrem Bruder Jonas und ihrer Schwester Mia-Maria.
Stefan Roggensack
Montag, 26. Juli 2004
Haverud – Laxsjöns Frilufsgard
An diesem wunderschönen, nebligen Morgen wurden wir Ruderer, wie es üblich werden sollte, von Wiebkes lieblicher Stimme geweckt. Vorm Frühstück hieß es dann erst mal „frisch machen“ gehen in den zum Glück nahe liegenden Waschräumen. Auf dem Weg dorthin durften wir dann ernüchternd feststellen, dass wir die ersten zu dieser Zeit wachen Menschen auf dem Campingplatz waren und die Ruderer aus Oldenburg, die wir am vorherigen Tag getroffen hatten, noch genüsslich in ihren Schlafsäcken schlummerten.
Nach dem „Schichtfrühstück“, wir hatten nur eine Sitzgelegenheit für die ganze Truppe, hieß es dann Boote beladen und weiterrudern. Doch wie sollte es anders sein, wir ruderten gerade mal 100m, um dann vor einer Schleuse warten zu dürfen, welches sich allerdings als glücklicher Zufall erwies, denn als wir durch unser Warten endlich, wenn auch verspätet, in die Schleuse gelangten, fuhr in großer Höhe eine Eisenbahn über uns hinweg, welches Holger natürlich sofort als Anlass zum Knipsen nahm. Eine Schleuse weiter wurde ich dann von Anne gefragt, wo meine Flagge sei (ich durfte seit gestern steuern, da ich mir eine Bänderüberdehnung zugezogen hatte). Mit Entsetzen stellte ich fest, dass die Flagge doch tatsächlich entwendet worden war. Ich blickte mich um und sah in Wiebkes und Arnes Gesichtern verräterische Blicke. (Sie besetzten die Krückau und hatten auch im Verlauf der noch später folgenden Viererschleusen-Aquädukte ihr trügerisches Können genutzt, um auch die Flaggen der anderen Boote zu beschlagnahmen.) Die weitere Fahrt erwies sich wie immer als kurz, bis auf die Tatsache, dass Birte durch ständiges Wasserverschlingen oft das Bedürfnis hatte, eine Toilette zu beschlagnahmen und ich, da ich mit Gerrit im Boot war, was mir noch des Öfteren passieren sollte, nicht trocken wieder heraus kam.
In Laxsjöns Frilufsgard angekommen nahm meine Mannschaft wegen meiner „Fußbehinderung“ noch zusätzliche Strapazen auf sich, sie mussten extra für mich einen Umweg von zusätzlichen 60m in Kauf nehmen, da ich unbedingt am Steg aussteigen sollte. Als alle außer mir unter Aufsicht von mehreren Schaulustigen das Ausladen der Boote bewältigt hatten, bekamen wir, da wir ja eine größere Gruppe waren und die anderen Campingplatzbesucher sich nicht von uns durch nächtliche Ruhestörungen belästigt fühlen sollten, einen etwas außerhalb liegenden Platz zugewiesen. Der befand sich jedoch weit ab von den Waschmöglichkeiten. (Später erfuhren wir von Timm, dass es schon im nächsten Haus sanitäre Anlagen gab.) Auf der Suche nach diesen wurde gleich ein Laden von uns belagert und ein nobler Abwaschraum ausfindig gemacht (es gab dort einen Kühlschrank, einen beheizten Aufenthaltsraum und sogar eine Crêpespfanne?). Auf unserer weiteren Erkundungstour über den Campingplatz trafen wir echte Elmshorner (!!!), davon abgesehen hatten wir auch schon eine Menge an feindlichen deutschen Paddlern gesichtet, jedoch kannten die Elmshorner selbstverständlich unseren Ruderclub, von dem sie bisher schon viel, natürlich nur Gutes, gehört hatten.
Während alle ihr köstlich zugerichtetes Abendmahl zu sich genommen hatten, versuchten sich Arne, Niko und Timm an der Aufgabe, ein aus nassem Holz bestehendes Lagerfeuer anzuzünden, woran sie jedoch kläglich scheiterten. Da aus dem Lagerfeuer nichts werden sollte, suchten sich alle ihren Weg, um es sich dennoch gemütlich zu machen. Man scheute keine Mühen, um durch Dickicht zu einem Felsen zu gelangen und die Aussicht zu genießen, machte es sich am Kieselsteinstrand mit echt schönem Blick relativ bequem oder trieb auf dem Campingplatz weiterhin sein Unwesen. Da sich dann der Abend langsam dem Ende zu neigte, schlossen einige schon die Bekanntschaft mit ihren eiskalten Schlafsäcken, andere zogen es vor, sich von Timm amüsante und zugleich interessante Geschichten über die Horster Frauenwelt anzuhören. Als dann auch die fast letzten sich ins Zelt begaben, wagten Arne, Niko und Timm sich erneut an eine Aufgabe, die sich dieses Mal jedoch als machbar erwies, sie sollten nämlich die Bootseinteilung für den morgigen Tag bestimmen. Irgendwann verschwanden auch die drei mehr oder weniger leise in ihrem Zelt und es herrschte Stille (bis auf eventuelles Zähnegeklapper einiger Leute, da dies eine sehr kalte Nacht wurde).
Carolin Schneider
Dienstag, 27. Juli 2004
Laxsjöns Frilufsgard – Bengtsfors
Mittwoch, 28. Juli 2004
Bengtsfors – Gummenäsön
Wir hatten wieder einen sonnigen Tag hinter uns mit einem spannenden Beachvolleyballmatch gegen die 1. deutsche Campermannschaft (Volleyball war auf dieser Tour die Lieblingssportart, wegen des Fußballverbotes – hat aber leider auch nicht vor der Verletzung bewahrt).
Es ist gerade vier Uhr morgens und wir, d.h. Arne, Niko und ich, sitzen im Gemeinschaftsraum des Campingplatzes. Während wir die Bootseinteilung schrieben, sahen wir das einzige Mal auf der ganzen Wanderfahrt Fernsehen auf dem netten Großbildschirm in dem Gemeinschaftsraum. Dann empfanden wir doch etwas Müdigkeit und ansteckendes Gähnen breitete sich aus. Daher schlüpften wir in unser Zelt, um dann gegen 9 oder etwas später aufzustehen.
Ich konnte meinen Kameraden noch einige Minuten im Schlafsack abringen, indem ich versprach gleich Eier zu kaufen und dann Spiegeleier daraus zu machen. Vorerst mussten wir uns aber noch in die Fluten stürzen und ausgiebig das Synchronspringen von dem buchteigenen Sprungturm perfektionieren. Anschließend gingen wir los um den Thai-Kiosk für einige Leckereien zu besuchen.
Als die Sonne schon recht hoch stand, waren auch alle Boote auf dem Wasser. Wiebke und Niko ruderten an diesem Tag das Honeymoonboat Krückau und waren immer vorne dabei – nebenbei bemerkt, Krückau wurde auf dieser Wanderfahrt ein begehrtes Boot, denn man konnte sich ausgezeichnet unterhalten und sich den Tag einteilen, wie es einem beliebte. Der Rest der Bande war auf die anderen drei Vierer verteilt. Steffen ruderte mit Caro, Steffi, Polli und mir.
Trotz eines unglaublich langsamen Opa-Steffen-Schlages (vielleicht 12 oder 13 Schläge die Minute) erreichten wir dank seltener Pausen als Erste das Eiland Gummenöson oder so.
Sehr angenehmer Flecken Schwedischer Fels, doch leider etwas paddlerverseucht.
Nach einigen Stunden Wurzel aus dem Boden kloppen konnten wir unsere Zelte in idyllischer Runde aufstellen.
Baden und Wäsche waschen mit anschließendem Kochen läuteten den Abend ein. Nun galt es noch ein bisschen Holz mit Polli zu hacken, um es dann zu verbrennen. Schließlich versammelten sich Niko, Birte, Levke und ich in Nikos Zelt und spielten in launiger Runde eine wunderschöne Runde Doppelkopf.
Ich habe diese Schweden-Waderfahrt als eine besondere Herausforderung gesehen und werde mich immer sehr gerne an dieses tolle Abendteuer erinnern. An dieser Stelle auch noch mal ein pfundiges Dankeschön an die flexible und belastbare Fahrtenleitung ;-).
Gerrit Hendricks
Donnerstag, 29. Juli 2004
Ruhetag auf Gummenäsön
Freitag, 30. Juli 2004
Gummenäsön – Fänadfjuset
Am 30.07.04 kroch wieder eine Truppe Ruderer aus ihren Schlafsäcken, um über Lennartsfors nach Getön zu rudern, dies waren ca.23 km für diesen Tag. Die Sonne schien und wir machten uns auf den Weg nach Lennartsfors. Uns erwartete eine 3er Schleuse mit Einkaufsmöglichkeiten, was wir auch reichlich ausnutzten. Auf dem Weg dorthin hielten wir auf einem Campingplatz an, um den Müll vom Vortag zu entsorgen und um Gas zu besorgen, weil einer Kochgruppe das Gas leider ausgegangen war, gleichzeitig haben wir uns auch ein Eis gegönnt. Nachdem wir durch die Schleuse waren und alle wieder eingeladen hatten ging es nach Getön, wo wir unsere nächste Nacht verbringen wollten. Auf dem Weg gab es wieder eine Menge Landschaft zu sehen, was aber auch nicht mehr so interessant war, bis unser Obmann Hauke beschlossen hatte, dass wir zwischen 2 Inseln hindurch rudern sollten. Haukes Mannschaft, das waren Wiebke, Steffi, Stefan und ich. Doch es wurde plötzlich ein bisschen zu flach, so dass die gesamte Mannschaft aussteigen musste, nur Steffi als Steuerfrau durfte im Boot bleiben. Also haben wir unser Boot durchgeschoben, bis es wieder tiefer wurde, und wir unsere Fahrt rudern fortführen konnten. Der Rest der Truppe suchte schon mal unsere Insel, die leider keine Schützhütte hatte, so dass wir auch bis heute nicht wissen ob es wirklich Getön war, wo wir übernachtet haben. Aber egal das war ja auch nicht so wichtig, das Wichtige war der schöne Felsen der Insel, wo wir herrlich gekocht sowie Stockbrot gemacht haben am Lagerfeuer. Es war zwar ein bisschen rutschig zum Baden, aber wir hatten einen tollen Sandstrand zum Zelten, denn im Wald waren so viele Ameisen, dass wir lieber am Strand gezeltet haben. Spät am Abend wollte Poll noch Holz hacken, was ihm zum Verhängnis wurde. Er holte sich einen Splitter, der so tief saß dass Pinzette und Nadel nichts halfen. Doch wozu hat man Cuttermesser. Steffen und ich gaben uns alle Mühe, aber die OP musste leider wegen der Dunkelheit abgebrochen werden und Poll bekam von uns nur einen dicken Verband. So ging auch dieser Abend voller Abenteuer zu Ende.
Henrike Schweiger
Anm. der Fahrtenleitung: Wahrscheinlich sind wir nicht auf Getön sonder auf der Nachbarinsel Fänadfjuset gewesen.
Samstag, 31. Juli 2004
Fänadfjuset-(Lennartsfors)-Hästön
Langsam und majestätisch erhebt sich die Sonne über den bewaldeten Hügeln am Ufer des Foxen. Davor eine kleine Insel mit einem Stückchen Sandstrand zwischen felsigen Uferpartien. Himmlische Ruhe (OK – einer dieser komischen Krähvögel kräht vielleicht). Direkt auf dem Strand eine idyllische Ansammlung von Zelten, um die Ecke liegen einige Ruderboote im Flachwasser verankert. Auf der Klippe dazwischen rauchen die Reste eines Lagerfeuers inmitten einer unglaublichen Menge Stockbrot.
Eine ganze Weile später. Die Sonne steht mittlerweile ziemlich hoch an einem erbarmungslos wolken- und damit schattenlosen blauem Himmel. Der erste Paddler kommt über den See auf die Insel zu und dreht enttäuscht ab, als er erkennt, dass der Rastplatz besetzt ist. Er nimmt sich vermutlich vor, am nächsten Tag noch ein wenig früher aufzubrechen. Ohne auch nur von solchen Problemen zu ahnen, geschweige denn sie ernst zu nehmen, erwachen die ersten Ruderer. Ja, um solche handelt es sich, wie der geneigte Leser vermutlich längst ahnt (naja, in der Vereinszeitung eines Ruderclubs…).
Dennoch ist es am Tourstandard gemessen noch erstaunlich früh, als die ersten quasi direkt aus den inzwischen kochendheißen Zelten ins erfrischende, klare Wasser springen und anschließend zur Frühstücksklippe weiterziehen und beim Frühstück die Nachzügler anfeuern, sich ins kühle Nass zu stürzen. Bald darauf verbreitet sich Betriebsamkeit und Aktivität – schließlich steht heute nicht nur die nördlichste Ruderetappe der Tour auf dem Plan, auch Holgers Badeunfall, dem in einer verzwickten Kombination aus rutschigen Klippen und einer vorsichtshalber abgelegten Brille letztere zum Opfer fällt, verblasst angesichts der Herausforderungen, die noch zu meistern sind.
Zunächst einmal bedeutet das für diesen Bericht, dass ein Stilwechsel her muss (der Arne-lies-uns-bitte-noch-eine-Schwedengeschichte-aus-deinem-Buch-vor-Stil kann einfach nicht die ganze Spannung und Explosivität der folgenden Ereignisse transportieren).
Schnitt. Rückblende: Dunkelheit. Schritte eines Läufers, atemloses Prusten. Ab und zu kommen im funzeligen Scheinwerferkegel einer Taschenlampe Bäume und Waldboden (ab und zu auch schier gigantische Ameisenhaufen) ins Bild. Das Ganze unterlegt von rhythmischen undefinierbaren Geräuschen, als wenn ein Beil auf einen Baumstumpen einschlägt. Dann ein schockiger Toneffekt: das rettende Plumpsklo taucht aus dem Dunkel auf. Kaum hat sich wenig später in der aus mittlerweile zwei Personen bestehenden Warteschlange scheinbar alles beruhigt, zerreißt ein gellender Schrei die Nacht. Naja. So gellend nun auch wieder nicht. Eigentlich mehr etwas wie: „Aua.“ Es klingt wie Polli mit einem Splitter in der Hand.
Schnitt. Gegenwart: Der Rat der Weisen der Ruderer steht versammelt in den historischen Ruinen ihres (mittlerweile halb abgebauten) Lagerplatzes und beratschlagt, wie man das Übel der Welt und insbesondere Pollis Hand kurieren kann. Es sieht aus wie auf einem Schlachtfeld (wie jeden Morgen vor dem Verladen von Gepäck und Müll).
Schnitt: Polli schiebt um die Ecke den Elvkieker ins Wasser. Dramatische Musikuntermalung. Mit schmerzverzerrtem Gesicht Polli zu sich selbst: „Ich kann es nicht von ihnen verlangen. Ich muss den Splitter zum zentralen Paddlerversammlungsort nach Lennartsfors bringen und dort in die Abgründe des Bruikshandels werfen.“ Da sprinten unter melodramatischer Musikuntermalung Henrike, Levke, Gerrit und Hauke über den Strand und klettern in letzter Sekunde ins Boot (schwimmen können wir ja schließlich alle): „Nee, Polli, wir lassen dich jetzt nicht allein. Wo dein Weg auch hinführen mag, wir kommen mit, gleich welche Dunkelheit und Gefahr dort auf uns harren mag- jedenfalls bis Lennartsfors.“
Nun tauchen auch die weisen Ruderer auf und überreichen den Helden wertvolle Geschenke, darunter ein gelber Sack voller Müll und eine Einkaufsliste. Schließlich bricht der Elvkieker gen Süden auf, derweil die Ruderer am Ufer stehen und der Besatzung hinterherrufen: „So sei es denn. Hier nun trennen sich die Gefährten. Vergesst die Einkäufe von der Liste nicht!“. Und an die Zurückgebliebenen gewandt: „Verzagt nicht, meine Gefährten. Unser Weg führt nun nach Norden, Paddler jagen.“
Der Oscar ist mir sicher. Obwohl das jetzt vielleicht doch etwas zu hochgestochen war. So ähnlich hat es sich damals aber zugetragen. Naja, ungefähr. Pollis Splitter hatten wir ja am Vorabend nicht aus der Hand herausbekommen, daher trennte sich die Gruppe in eine Polli-Rescue-Mission und die Nordpolarmeerfahrer. Erstere bestand aus mir und den bereits erwähnten Personen, die mit Elvkieker in Lennartsfors einen Arzt suchen und gleichzeitig noch die Vorräte für die lange Zeit bis Nössemark aufstocken sollten.
Von einem scheinbar Landemanöver übenden Wasserflugzeug abgesehen erreichten wir ohne besondere Vorkommnisse bald die Schleuse Lennartsfors, die wir am Vortag bereits passiert hatten. Dort legten wir an einem Bootsanleger beim in den Fels gehauenen Schleusenkanal an und kamen über einen rustikal bis abenteuerlich an den Fels gezimmerten Holzweg zur Schleuse und dem Bruikshandel. Mit den Verkäufern konnten wir uns gut auf Englisch verständigen, mussten aber erfahren, dass der nächste Arzt etwa 50km weiter zu finden sei und außerdem gerade geschlossen habe. Immerhin konnte uns die Ladeninhaberin etwas Wasser abkochen und uns ein scharfes Fischfiletiermesser leihen. Mit dieser Profi-Ausrüstung sowie etwas Betaisadonna, einem Schuß Wodka, einer Pinzette und einem Haufen Verbandszeug aus unserer Medi-Tonne funktionierten wir dann den Tisch vor dem Laden in einen mobilen Operationssaal um und waren schnell von Schaulustigen umringt. Ich muss sagen, Polli hat sich echt gut gehalten und sich den Splitter schließlich sogar eigenhändig entfernt – die Details lasse ich lieber aus. Außerdem konnte er bereits zwei Tage später wieder mitrudern. Respekt.
Daraufhin machten wir uns wieder auf den Rückweg Richtung Norden um dort die anderen zu treffen, die den Foxen ja bis ans Nordende ausfahren und dann auf einer der Inseln zwischen Foxen und Stora Lee übernachten wollten. Mittlerweile waren auch einige kühlende Wolken vor die sengende Sonne gezogen, so dass wir entspannt anfingen, diese Inseln nach geeigneten Lagerplätzen abzusuchen, wobei wir bei Kollön fast auf ein Felsriff aufgelaufen wären. Der dortige, gut aussehende Platz in einer schmalen Bucht war allerdings schon besetzt. Kurz darauf kam aber auch schon ein Anruf von den Anderen, sie waren doch nicht nach Norden gefahren, sondern direkt nach Häston, wo das Lager bereits aufgebaut war. Meiner Meinung nach war dort, gleichauf mit dem heutigen Startplatz der beste Lagerplatz der Tour. Ein kleiner Kieselstrand unterhalb der Lagerhütte, direkt daneben eine flache Bucht, in der wir die Boote vertäuen konnten und über einen großen Bereich um diese Bucht verstreute Top-Zeltplätze am Fuße relativ stark ansteigender Hügel, die wir zudem alle für uns allein hatten. Das beste jedoch: über einen Hügel, von dem man eine grandiose Aussicht auf das bunte Lager und den See hatte, kam man zur nächsten Bucht, deren Steilküsten aussahen, als wären sie fürs Klippenspringen gemacht. Doch ich denke, das wird man im nächsten Bericht lesen können.
Den restlichen Nachmittag / Abend verbrachten wir mit Streifzügen über die Hügel, Waschen und Baden am Strand und der Zubereitung des Essens (in meiner Kochgruppe gab es Barbecue-Style-Ravioli, mit anderen Worten: angebrannte Nudeln). Außerdem sahen wir auf dieser Insel das erste Mal auf der Fahrt die scheinbar für den Stora Lee charakteristischen Kieseltürmchen an den Stränden, die uns sofort so begeisterten, dass wir auch einen errichteten. So ging der Tag schnell zur Neige und da der zuständige Ranger anscheinend gerade einen frischen Stapel Holz angeliefert hatte, klang auch dieser Abend mit einem zünftigen Lagerfeuer vor der Hütte aus in der einige Ruderer, darunter auch ich, ihr Nachtlager eingerichtet hatten.
Hauke Janzen
Sonntag, 01. August 2004
Hästön – Otteid (Norwegen)
Heute wurde ich um 10:00 Uhr, in einer interessanten Zeltkombination, die auf einem allerdings nicht ganz optimalen Untergrund gebaut war, geweckt. Wir hatten am Vortag zwei Zelt ineinander aufgebaut, um die vermeintlich ebene Bodenfläche zwischen den Bäumen zu nutzen. Das Zelt beherbergte in dieser Nacht drei Zeltgemeinschaften, doch dass es ein unbequemer Schlafplatz wurde, lag nicht an der Anzahl der Bewohner, sondern viel mehr daran das der Waldboden ein starkes Gefälle aufwies. So rutschten wir alle während des Schlafes, die Luftmatratzen hinunter Richtung Zeltausgang. Das relativ frühe Aufstehen heute, hatte weniger mit der bevorstehenden Ruderetappe zu tun, als mit der Tatsache, dass Hästön eine schöne Insel mit einer erstklassigen Felsklippe zum springen war. Die am vorherigen Tag bereits gründlich ausgelotet und getestete Absprungsstelle, füllte sich an diesem Morgen sehr schnell mit einem großen Teil der Gruppe. Die Sprünge wurden von Holger fotografisch festgehalten und so sind die meisten schon vor dem Frühstück im Wasser gewesen und konnten frisch in den Tag starten. Die Zeit zog sich nach dem Frühstück etwas hin. Bis abgewaschen war, die Zelte abgebaut und die Boote beladen, verstrich einige Zeit und beim Ablegens war es bereits 14:00 Uhr. Zum Vergleich, unser Boot hatte am Tag zuvor um 14:30 Uhr auf dieser Insel angelegt. Die Wiking mit Birte, Levke, Holger, Christoph und mir segelte, so wie die meisten Boote, eine gute Strecke der Tagesetappe. Bei der Abzweigung Richtung Norwegen strichen wir die Segel und ruderten das Stück bis Otteid durch. Es war die einzige Station in Norwegen auf unserer Tour und wir erreichten unseren auserkorenen Lagerplatz um ca. 16:00 Uhr. Wir blieben in der Nähe des kleinen Hafens, bis die Fahrtenleitung bei dem Besitzer der angrenzenden Wiese um Erlaubnis zum Übernachten gefragt hatte. Diese wurde freundlicher Weise erteilt und wir freuten uns beim Anblick einiger geraden Flächen auf der Wiese, auf eine angenehme Nacht. Die Zeit zwischen Zeltaufbau und Abendessen habe ich geschlafen und somit nicht an einer der gefährlichsten Ballsportarten teilgenommen. Denn das Volleyball Spielen forderte heute sein zweites größeres Opfer auf dieser Fahrt, es traf Holger in Form eines Zeltherings der sein Knie aufschlitzte. Damit hatten wir für die nächsten Tage einen weiteren Steuermannsplatz fest einzuplanen. Für das Abendessen tauschte ich meine Kochgruppe mit Birte, da ich liebend gern auf Milchreis als Hauptmalzeit verzichten konnte. Meine Gastkochgruppe bestand aus Anne, Levke, Henrike und Caro, bei denen ich mehr als satt wurde. Das war durchaus nicht bei jeder Kochgruppe der Fall, da die Einkaufsplanung bei der DKKG nicht ganz funktioniert hatte. Der Abend klang in kleineren Gruppen, bei Karten spielen und Gesprächen aus. Es folgte eine erholsame Nacht, auf einem geraden und bequemen Liegeplatz.
Nikolai Jakobi
Montag, 02. August 2004
Otteid – Guppviksön
Dieser Bericht von Sebastian Kiesow ist durch eine technische Panne in der Redaktion leider verloren gegangen und kann auch nicht wieder rekonstruiert werden.
Dienstag, 03. August 2004
Guppviksön – Nössemark
Bei diesem Bericht von Christoph Poll gibt es genau das gleiche Problem wie am Vortag.
Mittwoch, 04. August
Ruhetag in Nössemark
Nach einer erholsamen Nacht in einem urgemütlichen Zelt brach der Morgen eines außergewöhnlichen Tages an. Er war außergewöhnlich, da es sich 1. um einen wohlverdienten Ruhetag handelte und uns 2. entgegen der Schweden-Gewohnheit ein Sonnenaufgang verwehrt wurde. Stattdessen war der Himmel in ein tiefes scheuerlappengrau getaucht, einzig positiv daran war, dass keine Sonnenbrandgefahr bestand und endlich die langen Hosen und Pullis auch mal während des Tages zum Einsatz kamen. Welch Freude! Trotz des trüben Wetters wurde der Tag langsamer und ruhiger als sonst angegangen.
Nach der Morgenwäsche folgte das obligatorische Kochgruppenfrühstück dank des nahe gelegenen schwedischen Supermarktes in einer „de luxe“ – Ausführung mit frischen Brötchen, Fruchtsaft und frischer Milch fürs Müsli. Gesättigt von dem ausgiebigen Frühstück folgte nun jeder Ruderer den Rest des Tages seinen eigenen Interessen: ins Zelt kriechen und sich bis zur nächsten Mahlzeit in den Schlafsack kuscheln, Wäsche waschen, aus Skulls und Tampen ein „Volleyballnetz“ bauen und Volleyball spielen, per pedes die Gegend rund um den Campingplatz erkunden, lesen, Wizzard spielen, im Mädchenzelt Wanderfahrtslieder singen, zum x-ten Mal im Supermarkt einkaufen gehen usw.
Der Tag verging ohne größere Anstrengungen, steckte dafür jedoch voller Überraschungen. Nach dem Aufstehen berichtete uns Levke aufgeregt von ihrer nervenaufreibenden nächtlichen Unternehmung. Mitten in der Nacht war sie schlaftrunken zum Waschhaus marschiert, um ein WC aufzusuchen und hatte sich auf dem Rückweg irrtümlicherweise ins benachbarte Jungenzelt geschlichen. Auf der Suche nach ihrem Schlafsack war sie von dem einen Ende des Zeltes zum anderen gekrochen. Sie wunderte sich ein wenig über die schnarchenden und nichts wahrnehmenden Jungen, nahm dann den männlich markanten Duft wahr und stellte fest, dass sie sich im falschen Zelt befand. Flugs machte sie kehrt und ließ sich im Mädchenzelt müde in ihren Schlafsack fallen. Diese Nachtaktion blieb nicht ohne Folgen, denn noch Tage später amüsierten wir uns nur bei dem Gedanken daran prächtig.
Des Weiteren erblickten wir bei genauerer Betrachtung auf dem Parkplatz doch tatsächlich einen Elch – wie lange hatten wir darauf gewartet und uns danach gesehnt. Und nun endlich wurde dieser Traum wahr. Unglaublich. Vielleicht sollte es an dieser Stelle besser unerwähnt bleiben, dass es sich bei dem Elch um ein Fahrzeug mit dem Kennzeichen EL-CH handelte. ? Aber immerhin konnten wir nun todesmutig erzählen, einen Elch gesehen und ihm zum Greifen nah gewesen zu sein. Am Nachmittag ertönte plötzlich ein gellender Schrei und drohte, die Camperidylle zu zerstören. Der Grund dafür war die plötzliche Explosion von Polls Schwimmweste. Einige wagemutige Experten vermuteten, dass das genannte Objekt am Vortag derart intensiv mit Wasser in Kontakt getreten war, dass sich die in der Schwimmweste befindliche „Brausetablette“ im Laufe der Zeit aufgelöst und die Explosion hervorgerufen hatte. Immerhin hatte Christoph nun die Bestätigung, dass seine Schwimmweste durchaus funktionstüchtig ist oder besser gesagt war.
Nach all der Aufregung des Tages machte man sich in den Kochgruppen an die Zubereitung der abendlichen Mahlzeit und es wurden wieder mal die schmackhaftesten Köstlichkeiten aufgetischt, beispielsweise Nudeln mit Soße oder Reis mit einer vegetarischen chinesischen Soße.
Der Abend klang wie üblich in gemütlichen Zeltrunden aus, sofern man von den üblichen Spielen wie Wizzard und Skat einfach genug bekommen kann.
Anne Schneider
Donnerstag, 05.August 2004
Nössemark – Skottön
Ich schlage die Augen auf und blicke hektisch um mich: Sepp und Polli rechts von mir, links jemand anderes. Wo bin ich? Schlafsack, Zelt, Wizard-Karten in der Tasche neben meinem Brillenetui… Langsam kehrt die Erinnerung zurück. Der Haufen zur Linken ist Hauke, zusammengekauert in einem Berg aus Schlafsack und seinen eigenen Klamotten. Irgendetwas musste ihn gestern Abend davon abgehalten haben sie nach dem Trocknen ordentlich zusammen zu legen. Wahrscheinlich ein kleines Wizard-Spiel oder einfach die Müdigkeit, die entsteht, wenn man eine überdurchschnittliche Menge an Nahrung aufnimmt, die den Körper dazu zwingt alle weiteren Aufgaben auf morgen zu vertagen.
Hamburger, ich fühle es im Magen und rieche es überall – Bulettengestank im ganzen Zelt, Vorzelt und VorVorzelt! Booahh, und jetzt dämmert es langsam: Bei uns war gestern Burgerparty! Richtig, wir hatten die letzten Pakete Sesambrötchen ergattert, dazu drei 30er Pakete gefrorener, flacher, runder Hackfleischformteile, dazu diverses Gemüse, auf das die Mädels bestanden hatten, Käse, Ketchup, Soße und Bier. Ein gelungener Ausklang eines langen, teils regnerischen Ruhetages, wenn da nur nicht dieses Gefühl im Magen wäre, das mich scheinbar hatte aufwachen lassen.
Also nix wie raus aus dem Sack und ab Richtung Waschhaus – sieht so aus als wenn ich heute Morgen ausnahmsweise mal zu den ersten gehöre. Nach den üblichen Aktivitäten begegnen mir Sepp und Polli auf dem Rückweg und auch die anderen sind wach und auf dem Weg zur Morgentoilette oder rödeln zumindest irgendwo im Zelt herum. Als ich unsere mobile Imbissbude betrete, hat sich in der linken Ecke noch nicht viel bewegt, doch es gelingt mir dann doch den Rabauken wach zu kriegen, die Androhung ohne ihn zu frühstücken wirkte Wunder.
Als Hauke zurückkommt sind wir auch schon mitten drin und löffeln unser Müsli, danach wird wie immer abgewaschen, eingepackt und losgefahren – hier nur im Zeitraffer darzustellen, versteht sich. Die VorVorzelt-Konstruktion wieder abzubauen, die wir am Vortag so liebevoll als zentralen Platz des sozialen Lebens errichtet hatten, erwies sich als nicht ganz so einfach und einige Leute sollten sich noch länger wundern, warum ihre frisch gewaschene Wäsche penetrant nach McDalsland riecht. Aber was will man denn erwarten, wenn man sie zum trocknen direkt über die Bratpfanne hängt…
Doch zurück zum Tagesgeschehen: Mein Boot ist heute die Pagen mit Steffi, Levke, Timm und Niko und ich glaube wir legen als letztes ab, weil ich noch unbedingt meine gerade getrockneten Schuhe beim Beladen wieder nass machen musste. Das Wetter ist erstaunlich gut nach den zwei schlechten Tagen und wir sind im Nachhinein froh, dass wir den gestrigen Tag in Nössemark mit Waschmaschine, Trockner und Supermarkt verbracht haben anstatt auf Skottön abzuhocken, denn dorthin waren wir erst jetzt gegen 11:00 Uhr unterwegs.
Diverse anfängliche Pausen gleich nach den ersten Schlägen lassen ein Aufschließen zu den anderen Booten gar nicht erst zu und wir finden uns recht schnell mit der Tatsache ab bei der heutigen Tagesetappe mal die Letzten zu sein. Dafür ist der Spaßfaktor nicht zu unterschätzen und Timms Lachflash widme ich gleich mehrere Fotos.
Das Etappenziel nähert sich ohne besondere Vorkommnisse aber doch schneller als geplant, auch wenn es nicht alle so ganz mitbekommen haben, und ich behaupte noch bis heute, dass ein wichtiger Teil der Seekarte fehlte, der mir das Ziel hätte so beschreiben können, dass ich nicht 30 Minuten wie der letzte Depp direkt vor Skottön liege ohne es zu bemerken. Im Zweifel jedoch für den Angeklagten und außerdem, was sollen wir denn schon vor 15:00 Uhr hier ein Zelt aufbauen? Zumindest nicht wenn alle anderen schon da sind – was hatten die das eigentlich auch so eilig – bis dahin hatten wir ja nur Platzprobleme wenn wir nach 16:00 Uhr noch die Feuerstelle für uns beanspruchen wollten…
Eine ganz natürliche Folge halt wenn Leute mit dem Herausbringen von dutzenden Dalsland-Reiseführern meinen ein besonderes Geschäft machen zu müssen – im Sinne des gemeinen Wasserwanderers ist diese fast alltägliche Schutzhüttenschlacht gegen meist deutschsprachige Jugendgruppen jedenfalls nicht – im Übrigen der einzige leicht fade Beigeschmack dieser Tour.
Nach längerem Hin und Her also zackig angelegt, ausgepackt und Arne und Gerrit die Boote zum Vertäuen übergeben. Da die Bucht an der Südspitze von Skottön den ambitionierten Knotenfetischisten geradewegs dazu drängt endlich den vollen Umfang der mitgelieferten Tampen auszunutzen, wurden diese mit samt Booten dazwischen in einer Konstruktion monumentalen Ausmaßes dermaßen kunstvoll über die Bucht gespannt, dass selbst der Ranger (so er denn an diesem Abend vorbeigeschaut hätte) vor Neid zum Elch geworden wäre. Nur unserem nächstmorgendlichen Ablegen ist es zu verdanken dass die UNESCO nicht noch vorbeigeschaut hat um dieses Bauwerk zum Weltkulturerbe zu erklären – noch mal Schwein gehabt!
Die ersten Zelte stehen meiner Aufzeichnung nach schon um 15:27 (weiter so, so schaffen wir jede Landjugendgruppe!) und so bleibt uns Jungs genug Zeit erst mal die Insel nach Kletterfelsen zu erkunden, während andere zum Kaffee noch die Reste der Jordbaersgubb verzehren – Mahlzeit Niko! Eine nette Felswand überwunden wagen sich Steffen, Hauke und Björn an Level 2 und klettern eine Felsspalte direkt überm Wasser entlang, während ich noch mit meinem Schweinehund boxe und die Stimmen auch schon immer leiser werden. Entschließe mich also zu den Zelten zurückzugehen und zu sehen, ob ich alle Klettermaxe zum Abendbrot heil wiedersehe.
Natürlich sollte dem so sein und obwohl es mir entgangen ist, was es an dem Abend zu essen gab (waren es Nudeln mit Soße oder Milchreis??), bin ich mir ziemlich sicher dass der Abend auf jeden Fall mit einem netten Gruppenfoto, dem Vernichten der letzten Bierreserven und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einer Runde Wizard oder DoKo zu Ende gegangen ist.
Alexander Herzog
Freitag- Samstag, 06.- 07. August
Skottön – Ed – Elmshorn
In der Nacht auf Skottön hatte unser Zelt (ach, und natürlich auch noch Birte) ganz survivalmäßig in der Schutzhütte geschlafen. Denn das gehörte neben „Einen Elch sehen“ mit auf die „Muss ich unbedingt in Schweden machen“ Liste. Und auch sonst bietet eine Schutzhütte jede Menge Vorteile. Wir brauchten zum Beispiel auch unser Zelt nicht aufzubauen. Nicht dass wir zu faul gewesen wären oder so, wir…ären nicht zu faul gewesen!
Nun ja, als es dann ans allgemeine Aufstehen ging, war unsere Schutzhütte natürlich noch nicht mit von der Partie. Und dann offenbarte sich auch gleich ein Nachteil der Schutzhütte: Die Ponchos, die wir am letzten Abend zum Schutz vor dem Rauch des Feuers aufgehängt hatten, spendeten auch die zum Weiterschlafen nötige Dunkelheit. Soweit kein Problem, aber um uns zum Aufstehen zu bewegen, entfernte Steffen erstmal dreist die Ponchos. Das absolute Traumpanorama mit dem See und der Nachbarinsel irgendwo im Dunst interessierte uns in dem Moment herzlich wenig. Außerdem stand Steffen ganz unpassend darin herum. Hämisch grinsend. Nun ja, aufstehen gehört ja nun mal zum Leben wie Kanuten, so traurig das auch sein mag.
Also gingen wie jeden Morgen viele baden, es wurde Frühstück gemacht und so was halt. Was auch seit dem zweiten Ruhetag zum Volkssport gehörte war das Bienentöten. Das hört sich etwas hart an, sagen wir mal Bienen „ruhig stellen“. Mit Honig, der allseits geliebten „Jordgubskräm“ und was sonst noch in Reichweite war, ging das Bienentöten nahtlos ins Frühstück über. Und dann: Eine Störung unserer wohlverdienten Mahlzeit! Der nette Ranger, der aussah wie aus einem Bilderbuch mit dem Titel „Schwedens Bilderbuchranger“, kam mit seiner Nußschale angetuckert und brachte frisches Brennholz, leerte die Mülleimer und stellte auch die nicht zu vermeidende Frage: „Do you have a campingcard?“ Natürlich hatten wir eine…nur zu dem Zeitpunkt aus mysteriösen Gründen nicht zu finden (Ich sags ja: Mit Kanuten eine Insel teilen, das hat schlimme Folgen!). We explained das dann dem Ranger und er believed us, dann war das auch ok. Der Ranger war sowieso total nett, er hat auch unseren Müll mitgenommen und war echt begeistert als er gehört hat, dass wir from Germany sind. Echter Bilderbuchranger halt.
Ja, nach dem Frühstück gings dann ans Sachenpacken zur letzten Etappe dieser monstermäßigen Ultrawanderfahrt. Ganze ausgewachsene acht Kilometer trennten uns vom Etappenziel. Das Boote-Packen war auch etwas ganz Besonderes. Im Laufe der Fahrt hatten sich Experten für jeden Kasten jeden Bootes gefunden, die ihren oder ihre Seesacksucher hatten. So suchte man immer die gleichen Seesäcke um sie zum richtigen Kasten zu bringen. Das nur so zum technischen Ablauf. Als wir dann um die Insel herumfuhren, guckten uns die Kanuten von UNSERER Schutzhütte aus nach. Nach kaum 5 Minuten also war unser Lagerplatz wieder belegt! Gut, das ist auch nicht so die Katastrophe, ich wollte es nur mal erwähnt haben.
Die acht Kilometer, die wir übrigens fast ohne Unterbrechung rudernd zurücklegten kamen mir ungewöhnlich lang vor. Unser Ziel nämlich, eine Stadt, deren Namen ich vergessen habe, konnten wir die ganze Zeit sehen, aber die Distanz wurde nicht kürzer! (Echt nicht, ich schwör!) Warum wir dann doch ankamen, ich habe keine Ahnung…
Das unabdingbare Ende einer jeden Etappe, das Ausladen, folgte. Wir breiteten unsere Sachen auf einem Kinderspielplatz vor einem Café (Wo wir natürlich vorher gefragt hatten, wichtig für den weiteren Handlungsverlauf!) aus, holten die Boote an einer Slipanlage aus dem Wasser und riggerten diese auf einem Parkplatz. Als dann die Boote fertig waren und jeder sein Zeug zusammen hatte, musste für das Abendessen, das wir auf einem Campingplatz einnehmen wollten, eingekauft werden. Die Hälfte(!) der Gruppe ist letztendlich einkaufen gefahren. Der Rest wollte sich den angenehmeren Sachen zuwenden. Duschen! Richtige Duschen warteten auf uns. Die Fahrtenleitung hatte mit den Leuten in dem Café, welches zu einem kleinen Campingparkplatz mit einem Klo und einer Dusche gehörte, gesprochen und die Erlaubnis zur Nutzung der Anlagen erhalten. Soweit theoretisch perfekt, aber dann die Ernüchterung: Als die Ersten duschen wollten, stellten sie fest, dass entweder jemand schon ewig tot in der Dusche lag, oder sie abgeschlossen war. Die erste Möglichkeit wurde nach langen Diskussionen verworfen, und so wurde im Café gefragt. Antwort: „Ja, es gibt einen Schlüssel, aber den hat der Hafenmeister. Und der ist heute früher nach Hause gefahren.“ Hm.
Nachdem sich die Empörung gelegt hatte, entdeckten wir eine kleine Bucht und gingen baden statt zu duschen, wie schon die zwei Wochen zuvor. Danach nahmen wir eine kleine Mahlzeit aus Brot mit Zucker (Echt lecker!) und Brot mit Salz ein. Und dann, wie es halt so kommt, Timm (Das bin ich!) geht alleine mal zu seinem Seesack um irgendwas rumzupacken. Da kommt mir auf einmal ein Typ entgegen, der ein bisschen empört beziehungsweise wütend oder auch beides gefragt hat was wir denn hier machen mit unserem Gepäck! „Weg weg!“ Es war der Hafenmeister, der meinte dass der Spielplatz für Kinder wäre und wir halt unser Zeug da wegbringen sollten. (Ach ja, ich hatte vergessen zu schreiben, dass wir, bevor wir unser Gepäck dort deponiert hatten, die Kinder dort mit Gewalt hatten wegtreiben müssen…) Es half auch nichts, dass wir ihm sagten, dass wir im Café gefragt hätten, also mussten wir den Transporter holen und das Gepäck einladen. Auf dem Parkplatz entluden wir alles wieder, denn der schien niemandem zu gehören. Wir luden schon mal ein paar Boote auf den Hänger, aber bald kamen dann auch die „Einkäufer“ wieder. Alle stürzten sich begeistert auf die mitgebrachten wertvollen Waren, die den einzigen Zeitvertreib auf der anstehenden, langen, langen Heimreise darstellten.
Nun ja, bald machten wir uns mit den zwei Bussen und dem Anhänger auf den Weg zu einem Campingplatz. Wir hatten vor, dort zu kochen und dann recht zügig zu starten. Der Campingplatz war schnell gefunden, wir bekamen auch einen Platz, alles wunderbar. Die Dekadente KG kochte mal wieder irgendetwas total Exotisches und totales Unpraktisches (ein Wunder, dass die überhaupt noch etwas zu essen hatten nach dem „kleinen Engpass“), die zwei anderen KGs handhabten es weitaus praktischer und fanden sich zum kollektiven Pfannkuchenmachen zusammen. Pfannkuchen, ja sowieso sehr selten auf Wanderfahrt gesehen, mit Gerrits frisch eingekaufter komischen Schokocreme gleich etwas ganz besonderes…hach ja.
Der Aufbruch zog sich etwas hin, nach dem Essen wurde noch ein wenig Verdauungsfußball gespielt, man machte sich „reisefein“. EWIG dauerte es, bis endlich die fast komplette Gruppe bei den Transportern war. Während dieser Wartezeit, in der noch die letzten schwedischen Kronen losgeworden wurden, konnten wir beobachten, dass es ein Hobby der jungen, hippen Schweden war, mit alten amerikanischen Straßenkreuzern durch die Gegend zu heizen. Und das wohl am liebsten auf einem festgelegten Rundkurs, denn einige Autos sah man in fünf Minuten zweimal. Wie dem auch sei, irgendwann war es soweit, wir fuhren ab! Inzwischen war es dunkel geworden, eigentlich war es optimal. Man hätte sich einfach ins Auto setzen und einschlafen können. Ach ja, ich fuhr mit Stefan, Steffi, Steffen, Arne, Levke, Gerrit und Birte im VW-Hintelmann, der auch den Hänger zog. Während der Fahrt konnte ich natürlich nicht ordentlich einschlafen. Ab und zu ein Dialog mit der ersten Reihe (Steffi und Stefan, wenn ich mich nicht irre), aber langsam waren dann wirklich alle anderen eingeschlafen. Hm, was solls, das dunkle Schweden ist auch interessant. Bis wir dann auf einem Ikea-Parkplatz Halt machten, war auch ich kurz eingeschlafen (Erfolgserlebnis!). Also: Kurz Beine vertreten, Sauerstoff tanken. Es machte sich nämlich während der Fahrt wieder die große Schwäche des Hintelmanns bemerkbar. Es musste nämlich irgendwo ein Leck geben, durch das die frische Luft nach draußen entwich. Also fror die erste Reihe dauernd, da das Fenster häufig geöffnet war, und in anderen Reihen war dicke Luft (Schenkelklopfer!).
Die Fahrt ging weiter, es passierte eigentlich nichts Nennenswertes. Nichts Nennenswertes? Doch! Als Steffi nämlich in ihrer Funktion als Beifahrerin die nächsten Wegpunkte vorlas, kam darin auch die 17. (!) Möglichkeit eines Kreisverkehrs vor. In sehnsüchtiger Erwartung fuhren wir diesem Monster-Kreisverkehr entgegen. Nun ja, der riesige Kreisverkehr war ein Netz aus Kreisverkehren und Autobahnauf- und Abfahrten. Die Nacht war noch lang und die Müdigkeit groß, also wurde nach der großen Aufregung um den Kreisverkehr erstmal geschlafen.
Dann, am Morgen, inzwischen saß Steffen am Steuer, wenn mich mein Erinnerungsvermögen nicht allzu allein gelassen hat, überquerten wir grade eine Brücke (Ich weiß nicht mehr, welche Brücke es war, aber eigentlich muss es die zwischen Schweden und Dänemark gewesen sein) als sich langsam aber sicher die Sonne den Horizont hinaufschob. Es wurden Stimmen laut wie: „Oh wie toll, ein Sonnenaufgang auf der Brücke!“ oder „Wie im Bilderbuch!“, doch…Pustekuchen! Wir waren zu schnell unterwegs, wir hatten die Brücke längst verlassen, als der Sonnenaufgang richtig anfing.
Doch der Trost für diese herbe Enttäuschung ließ nicht lange auf sich warten, denn wir begegneten…MANUEL! Manuel konnte man kaum verfehlen, sein Kabäuschen war sehr reichlich ausgeschildert. Die netten Dänen wollten wohl unbedingt, dass jeder, der nach Dänemark fährt mindestens einmal zu Manuel hallo sagt. Der Arme musste ja auch Woche um Woche in seinem kleinen Verschlag hocken. Also sollte er nette Leute kennen lernen (wenn auch immer nur für 15 Sekunden). Es war komisch, Manuel hatte sich sehr verändert, seit wir ihn auf der Hinfahrt gesehen hatten. Doch was solls, Veränderungen gehören zum Leben, also kamen wir auch über diesen kleinen Schock hinweg.
Es wurde eine Pause gemacht, man tauschte die Sitzplätze. Arne übernahm das Steuer. Ich wurde zum Beifahrer befördert. Eigentlich nichts Besonderes, aber man muss dazu sagen, dass der Beifahrer eine ungemeine Menge an Platz zur Verfügung hat, ansonsten auch im Hintelmann (oder gerade) eher Mangelware. Also machte ich es mir bequem und döste vor mich hin. Doch plötzlich klingelte Arnes Handy! Auch nicht so spannend, aber der Inhalt der empfangenen SMS war hochbrisant. Der lautete nämlich, dass die Besatzung des Clubbusses sich verfahren habe und mit der Fähre nach Deutschland käme. Was haben wir gelacht! Sie hätten sich verfahren, bei einer Autobahnverzweigung und es erst sehr viel später (eine Stunde oder so?) gemerkt! Aber was wollte man von so einer unfähigen Busmannschaft auch erwarten?
Als wir uns allmählich wieder eingekriegt hatten, kam auch schon das nächste Ereignis. Noch ein Treffen mit Manuel nämlich! Schon komisch, dass er es so schnell geschafft hatte, quer durchs Land zu rennen, nur um uns verabschieden zu können. Was mich dann aber doch sehr schockierte war, dass Manuel dieses Mal weiblich war. Ich war sehr verwirrt. Aber wahrscheinlich hatte Manuel gerade Urlaub oder so was. Und den Dänen war es wahrscheinlich zu umständlich, alle Schilder auf Manuela umzuschreiben. Wer weiß…
Ach, der Rest der Heimfahrt durch Deutschland gestaltete sich relativ eintönig und wurde nur gelegentlich vom kollektiven Auslachen der anderen Busmannschaft unterbrochen. Die behauptete natürlich, dann doch alles mit Absicht gemacht zu haben. Ja klar…
Auf jeden Fall kamen wir heil in Elmshorn an, und damit ging die sehr erlebnisreiche Sommerwanderfahrt durch Schweden (und Norwegen!) zu Ende.
Timm Schoof